Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
Programmierern gegenüber im Vorteil. Als Leiterin des Replikanten Programms verfügte sie über ein passendes Budget und die Freiheit, fast alles tun zu dürfen. Sie hatte die ausgereifteste Test- und Abnahme-Umgebung für künstliche Lebensformen, die je von Menschen geschaffen wurde. Mehrere tausend Personenjahre Entwicklung steckte in den Routinen, mit denen sie die Ergebnisse ihrer drei Versuchsreihen fortlaufend überprüfen ließ. Diese mächtigen Werkzeuge verdankte sie ihrem Doktorvater, der leider die Ergebnisse seines Lebenswerks nicht mehr erleben durfte. Er war vor vier Jahren gestorben. So wurde Anna zur Leiterin des Replikantenprogramms berufen. Ihren Doktorvater hatte sie, wenig überraschend, über ihren Vater kennengelernt, der sie daraufhin bereits direkt nach dem Abitur als Praktikantin in seine Projekte eingeführt hatte. Zu Beginn hatte Anna parallel zu ihrem Studium bereits bei Versuchsreihen zum Klonen von Menschen assistiert, die dann aber verboten wurden.
Die ersten Ergebnisse der Versuchsreihe A sahen noch bescheiden aus. Der Computer fand keinen Ansatz, einen Aitair Algorithmus mittels der Logik von DNS-Bausteinen abzubilden. Was auch zu erwarten war, Genetik folgte anderen Gesetzmäßigkeiten. Die Zwischenergebnisse der Versuchsreihe B vermittelten ihr allerdings einen besseren Eindruck. Mathematik war universeller. Der Computer war auf dem besten Weg, menschliche Nervenzellen zu simulieren und dabei binnen kurzer Zeit die Funktionsweise eines kompletten menschlichen Gehirns abzubilden. Das war zwar nicht effizient, aber trotzdem ein beachtliches Ergebnis. Niemand würde deshalb einen Computer wie einen Menschen arbeiten lassen.
Die Freestyle Versuchsreihe C produzierte erwartungsgemäß laufend sinnlose bis irrsinnige Ergebnisse, sie würde sie aber weiterlaufen lassen. Genauso wie die B-Reihe. Die A-Reihe stellte sie ein, dort sah sie keinen brauchbaren Ansatz. Die freiwerdenden Rechnerressourcen stellte sie der B-Reihe zur Verfügung.
Anna stellte zudem fest, dass Pierres Aitair Signatur bereits mehrere Jahre alt gewesen sein musste. Und völlig harmlos. Er hatte die Wahrheit gesagt. Die KI war in vielen Bereichen stark reglementiert. Deshalb fiel das Programm auch bei der Prüfung ihrer Geräte nicht auf. Trotzdem lohnte es sich, Pierres Arbeit in den Großrechner zu laden, zu zerlegen und die Ergebnisse zu nutzen. Die B-Reihe entwickelte sich dadurch noch besser. Die Kenntnisse aus Pierre Vorarbeit würden die Entwicklungszeit ihrer Aitair Signatur deutlich verkürzen.
Es klopfte an ihrer Tür. Wer war das? Anna hatte ihr Zeitgefühl verloren. Ein Blick auf die Uhr. Sie hatte die ganze Nacht durchgearbeitet und ihren Kommunikator unter der Haut stumm gestellt. Niemand hatte sie während der letzten Stunden erreichen können.
»Visualisierung unterbrechen«, sagte sie leise und schwankte kurz. Wieder die reale Umgebung zu sehen, war nach mehreren Stunden Arbeit in einer virtuellen Arbeitsumgebung wie von einem dunklen Raum mit einem Schritt in die pralle Mittagssonne zu gehen.
»Ja, bitte«, sagte sie hingegen so laut, dass es auch der Störenfried vor der Tür hören sollte.
»Major Sanders-Robinson, machen Sie bitte die Tür auf. Es ist dringend«, sagte Peter Hennessy unfreundlich.
»Einen Moment bitte« Anna schaute kurz in den Spiegel, ihre Haare waren verschwitzt und die dunklen Augenringe ließen sie auch nicht gerade jünger wirken. Aber was machte das schon, sie war nicht auf Bräutigamschau. Sie öffnete die Tür.
»Guten Morgen, ich darf Sie bitten, mich zu begleiten.« Peter war nicht alleine. Zwei bewaffnete Offiziere aus seinem Sicherungsteam gaben ihm eine passende Kulisse.
»Peter, bin ich so gefährlich?«, kokettierte Anna, die diese Geste für völlig übertrieben hielt.
»Das werden wir herausfinden. Bitte, nach Ihnen. Wir gehen zum Kapitän« Peter gebot ihr unmissverständlich, vorzugehen. Der war ja richtig sauer auf sie!
»Worüber haben sie mit Pierre Morel gesprochen?«, fragte Peter abermals. Bereits seit einer viertel Stunde löcherte er Anna mit derselben Frage, die sie ihm weder jetzt noch später beantworten würde. Sie lächelte ihn nur an und sagte kein Wort. Die Geschichte mit Pierre war privat.
Daran änderte auch die Anwesenheit Kapitän Favellis nichts, des Staatsanwalts und ihres Vaters. Wobei der Staatsanwalt und ihr Vater über eine Videokonferenz von der Erde zugeschaltet waren, bei der jede Reaktion mittlerweile bereits
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