Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
mehrere Minuten benötigte. Die Horizon war nicht mehr weit vom Mars entfernt.
»Der SAOIRSE Nachrichtendienst ermittelt gegen Pierre Morel wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Allerdings haben meine Kollegen nicht damit gerechnet, dass sich Herr Morel mit einem Verschlüsselungscode zu helfen weiß, der nicht gerade als Freeware erhältlich ist«, erklärte Peter bedeutungsschwanger. Scheinbar genoss er es, so aufzutreten. Immerhin wusste Anna nun, wer vor dem Karrieresprung zum ersten Offizier der Horizon auf der Erde sein Arbeitgeber gewesen war.
Die Salve von Vorwürfen war noch keine Antwort wert. Sie war eine führende Forscherin im SAOIRSE Programm, ihr stand die Nutzung dieser Sicherheitsstufe für vertrauliche Gespräche zu. Das wussten Peter, der Staatsanwalt und auch ihr Vater.
»Ich möchte dem Staatsanwalt nichts vorwegnehmen, aber ich sehe hier keinen Verstoß gegen geltende Vorschriften. Ich sehe aber ein Problem in der sicheren Führung meines Raumschiffes. Major Sanders-Robinson, haben Sie eine Idee um die Situation zu klären?«, fragte ihr Vater mit ruhiger Stimme. Es war nicht seine Art, harsche Befehle zu erteilen, es war aber durchaus seine Art, harsche Entscheidungen zu treffen. Anna hatte in der Vergangenheit bereits erlebt, dass seine Frage nach einer klärenden Idee, dem Gang zum Schafott gleichkam. Schließlich machte ihr Vater keinen Hehl daraus, seine Besitzansprüche an der Horizon zu verdeutlichen.
»General, da kann ich Ihnen nur beipflichten. Rechtlich erkenne ich noch keinen Sachverhalt, eingreifen zu müssen«, schickte der Staatsanwalt direkt hinterher. Auch von dem Paragraphenreiter hatte Anna nichts anderes erwartet.
»Es gibt auch keinen relevanten Sachverhalt für dieses Gespräch«, sagte Anna selbstsicher, jetzt war sie gefordert. Sie hatte keine Lust, auf dem Mars aussteigen zu müssen. »Es gibt kein Führungsproblem auf der Horizon. Es liegt lediglich ein Missverständnis um eine private Konversation zwischen Professor Dr. Morel und mir vor.« Pierre hatte es verdient, mit seinen Titeln angesprochen zu werden. Wenn Peter es vermocht hätte, mit Blicken zu töten, wäre sie jetzt bereits ein Häufchen Asche.
»Bitte, erklären Sie uns Ihre Sicht der Dinge?«, forderte Peter sie weiter heraus.
»Nein.« Darauf würde sie nicht eingehen, die Rolle, vorzulaufen, überließ sie gerne ihm.
»Wie, nein?«
»Ich werde mich nicht rechtfertigen! Und ich werde Ihnen nichts über den Inhalt meines privaten Gespräches mit Professor Dr. Morel sagen! Ich erlaube Ihnen aber, mir sicherheitsrelevante Fragen stellen zu dürfen. Und als Zeichen meines guten Willens stimme ich einer Aufzeichnung meines Biofeedbacks zu«, erklärte Anna und sah in die Kamera, die Worte waren für ihren Vater bestimmt.
Peter schüttelte nur den Kopf und wartete. Weder er noch der Kapitän wagten es, zu antworten. Besonders Favelli war offensichtlich erfahren genug, um auf eine Reaktion von der Erde zu warten, verständlich, wer wollte sich schon ohne Not ins Knie schießen.
»Wir sind einverstanden«, erklärte Annas Vater kurz angebunden. Der Staatsanwalt sparte sich seine Reaktion und nickte nur vielsagend, jeder wusste, wer in der Runde den Ton angab.
»In Ordnung. Ich hatte zwar gehofft, einvernehmlicher zu agieren ... aber warum nicht«, sagte Peter, mit einer für Anna noch nicht bewertbaren unterschwelligen Freude in der Stimme. Hatte er ihren Schachzug vorhergesehen? Wie? Nein, das konnte er nicht, oder hatte Anna einen Fehler gemacht?
»Colonel Hennessy, bitte fahren Sie fort. Brauchen wir eine Pause, um Major Sanders-Robinsons Biofeedback aufzeichnen zu können?«, fragte Favelli.
»Nein, nein ... wir können direkt weitermachen. Wir haben zwar auf der Horizon keinen klassischen Lügendetektor, aber den brauchen wir auch nicht.« Peter blühte regelrecht auf. »Irene?« Was für ein Schauspiel lief hier gerade ab? Und wer zur Hölle war Irene?
»Ja«, sagte eine weibliche Stimme aus einem Lautsprecher, die Anna nicht zuordnen konnte. Was würde denn jetzt kommen?
»Erkläre bitte den Teilnehmern, wer du bist?« Peter ließ sich nicht beirren, die Runde ging an ihn. Anna schwante langsam, mit wem sie es gleich zu tun bekommen würde. Irene war eine KI. Verhöre durch eine KI waren zwar bisher noch nicht an Gerichten zugelassen, aber dieses Tribunal folgte anderen Regeln.
»Mein Name ist Irene, ich bin die unterstützende künstliche Intelligenz an Bord
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