Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
mitgekommen?«, fragte sie verunsichert. Ob Vater sich bei der Aufgabenstellung Irenes anders verhalten hätte? Klüger? Weiser oder einfühlsamer? Über ihren Kommunikator Chip konnte er jedes Wort in ihrer Nähe verfolgen.
»Sicherlich. In unserer Kreuzfahrtklasse bestimmt.«
»Ich verstehe.«
»Tun Sie das?«, fragte Favelli kritisch. »Sie waren bei der Besiedlung des Mars' noch nicht geboren.«
»Bitte?«, fragte Anna, über dieses Thema würde sie den Kapitän gerne sprechen lassen.
»Würden Sie sich freiwillig so verschiffen lassen?«
»Wie die Kinder? Nein, dass würde ich sicherlich nicht.«
»Ich auch nicht. Und unsere Führungselite in den Suiten der Horizon sicherlich am allerwenigsten. Niemand, der eine bessere Welt kennt, würde diese freiwillig missen wollen.«
»Was Kinder aus sozial schwachen Familien einer wirtschaftlich schlecht entwickelten Gesellschaft zu guten Arbeitern macht. Günstig, gehorsam und in großen Mengen verfügbar.«
»Bei Ihrem privilegierten Werdegang und ihrer menschenverachtenden Forschung sollten sie uns Ihren Spott mit Bedacht kredenzen!« Auch Favelli konnte austeilen.
»Welche Tat wurde Ihnen angelastet, um sich für dieses Kommando zu qualifizieren?«, fragte Anna, die mindestens zehn populäre Forschungsbereiche kannte, die ethisch fragwürdiger waren, sobald jemand die richtigen Fragen stellen würde.
»Major Sanders-Robinson, in der Flotte Ihrer Majestät gab es früher wegen Insubordination mindestens zehn Peitschenhiebe.« Favelli zeigte seine Zähne.
»Das waren selige Zeiten, oder?« Die Mission der Horizon entwickelte sich mehr und mehr zu einem Himmelfahrtskommando.
»Abtreten!«
***
XX. 94 G
Anna befand sich bereits seit mehreren Stunden gemeinsam mit Martin bei den Replikanten. Weder Elias noch seine Geschwister waren bei Bewusstsein. Der Kampf gegen das Fieber hatte sich weiter zugespitzt. Die Körpertemperatur Elias' lag inzwischen bei 42,4 Grad Celsius, einem Wert, der bei vielen normalen Menschen bereits für ein Kreislaufversagen genügen würde.
Anna und Martin hinkten dem Zeitplan hinterher. Die Replikanten, sie und jeder andere Mensch an Bord der Horizon hätten sich bereits seit Stunden in einem der Kryobetten befinden sollen. Gut tiefgefroren. Aber Anna wollte nicht aufgeben, Elias zurückzulassen war keine Option.
»Anna ... wir können nichts mehr für sie tun«, erklärte Martin gebrochen, er hatte alles gegeben.
»T-60 - Bitte begeben Sie sich unverzüglich zu Ihren Kryobetten.« Nur noch sechzig Minuten. Irene verkündete den Countdown über die Bordlautsprecher. In einer Stunde würde sich der Gravitationsantrieb der Horizon aktivieren und jedes Molekül drei Tage lang mit der 94fachen Erdanziehungskraft beschleunigen. Weder diese enorme Schwerkraft, noch die 0,8 fache Lichtgeschwindigkeit konnte sich Anna dabei wirklich vorstellen.
»Major Sanders-Robinson, ich kann Sie verstehen, loszulassen ist nicht einfach«, sagte Kapitän Favelli über den Kommunikator. » Ich schätze Ihren Einsatz, aber wir werden die Replikanten verlieren. Nun sollten Sie an Ihre Mitarbeiter und sich denken.«
Auch er ließ sein Kryobett warten. Trotz ihrer Auseinandersetzung einige Stunden zuvor, erteilte er ihr nicht den Befehl, die Replikanten zurückzulassen. Gekonnt hätte er es sicherlich. Auch Irene hielt sich auffallend zurück.
»Kapitän, wenn ich die Replikanten mit Fieber einfriere, werden sie sterben«, entgegnete sie noch wehrhaft, obwohl sie wusste, dass er recht hatte.
»Das ist mir durchaus bewusst. Neben Computern und Replikanten brauche ich aber vor allem Sie in unserer neuen Welt. Sie kann ich nicht nachzüchten, die Replikanten schon.«
»Danke.« Anna stand von dem Bildschirmarbeitsplatz auf und betrat den benachbarten Labortrakt. Während ihr Verstand resignierte, suchte ihr Herz weiter nach einem Ausweg. Martin blickte ihr nach, blieb aber sitzen. Die Kryobetten der Replikanten standen aufrecht im Kreis angeordnet. Das ganze Modul war autark, mit dem Habitat würden die Replikanten später auch auf dem Planeten landen können.
Durch die gläsernen Abdeckungen konnte Anna jedes der Kinder sehen, die alle mit geschlossenen Augen zu schlafen schienen. Sobald die Dehydrierung und anschließende Schockfrostung starten würde, würden ihre Gesichter eher denen von Porzellanpuppen gleichen. Wunderschön, zerbrechlich und wert, beschützt zu werden. 32 junge Menschen, jeweils nur 12 Jahre alt, besondere Menschen, die später
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