Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
anzusiedeln, erachtete Kira als intelligente Politik. Woran man sich kaum erinnern kann, vermisst man auch nicht, hatte Claire ihr einmal gesagt. In den sieben Jahren auf Proxima hatte sich noch niemand rebellisch gezeigt oder die Anordnungen der Alten ernsthaft infrage gestellt.
»Hallo Liebes!«, begrüßte Claire sie herzlich. Und leise. Mit ihrer jüngsten Tochter auf dem Rücken trug sie Reisbündel zu einer Sammelstelle. Die Kleine schlief. Verrückt, aber Claire wirkte zufrieden.
»Schön, dich zu sehen.« Kira nahm sie sofort in den Arm, eine Mutter wie Claire hatte sie sich immer gewünscht.
»Liebes ... was ist mit dir? Du zitterst ja. Hast du Hunger?« Natürlich konnte Kira ihr nichts vormachen. »Komm mit. Wir setzen uns kurz. Warst du erfolgreich?«, fragte Claire und nahm sie an die Hand.
In einer Nische setzten sich beide auf den Boden. In der Mitte der Höhle arbeiten gut fünfzig Menschen bei der Reisernte. Aus einer Tasche nahm Claire ein Stück Reisbrot und gab es ihr.
»Das ist doch deine Ration« Kira wollte es nicht annehmen.
»Nimm ... ich hab keinen Hunger.«
Claire log natürlich. Das Reisbrot schmeckte unsagbar gut. Es war ermüdend, immer die Starke spielen zu müssen. Niemand konnte auf Dauer nur von wilden Früchten leben.
Kira sah Claire unsicher an, während sie den weißen Stein in der Hand hielt. Claire war schlank und etwas kleiner als sie. Die schulterlangen dunklen Haare wirkten frech und trotz ihrer erst fünfundzwanzig Jahre wirkte sie bereits älter.
»Nur einer?«, fragte Claire.
»Ja.«
»Du weißt, dass du Ärger bekommen wirst?«
»Bitte hilf mir.«
»Du musst lernen, wie du ...«
»Ich will ja lernen! Ich will Steine finden! Aber ich ...« Kira hatte Claire unterbrochen, stockte aber mitten im Satz.
»Du musst auch lernen, zur Ruhe zu kommen.«
»Wie?« Kira sah sie nur an.
»Fang doch einfach an, dein Leben zu akzeptieren ... das wäre doch ein Anfang.«
»Aber ...«
»Nichts aber. Du wirst in den Höhlen nicht deinen Weg finden. Die Suche nach weißen Steinen ist wichtig für uns alle, aber das können andere besser. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das dein Weg sein soll.«
»Was ist mein Weg?«, fragte Kira, wie oft hatte sie sich diese Frage schon gestellt. Egal wie sie sich bemühte, sie gehörte einfach nicht dazu. Die Erde, der Mars oder auch Proxima, sie fühlte sich zu keiner dieser Welten zugehörig.
»Du bist eine hübsche junge Frau. Mit wunderbaren roten Locken. Ich habe nie verstanden, warum du dir deinen Kopf kahl rasiert hast. Was wolltest du dir damit beweisen?«
»Das ist ... das war meine Entscheidung ... das verstehst du nicht.« Kira schluckte. Claires Frage war nicht fair.
»Damit dich kein Mann zur Frau nimmt?«
»Ich lass mich nicht verkaufen!«, sagte Kira wütend.
»Ich würde es überleben nennen.«
»Um dann einfach nur jedes Jahr ein Kind zu gebären?« Kira wusste nicht, wie sie mit Claire über ihre Motive sprechen sollte.
»So siehst du das?« Claire wirkte enttäuscht.
»Nein, nein ... so habe ich das nicht gemeint.« Kira wollte Claire nicht beleidigen, aber sie würde niemals Kinder bekommen können, was sie bisher noch niemanden erzählt hatte.
»Du hast es aber genau so gesagt.«
»Entschuldige.« Kira versuchte Claire zu berühren, die aber ihre Hand zurückzog.
»Kira. Wir leben auf Proxima und wir werden hier sterben. Das können wir nicht ändern. Wir haben allerdings die Wahl, wie wir leben und wofür wir später einmal sterben.«
»Das stelle ich doch nicht infrage ...«
»Doch! Genau das tust du!« Claire kannte sie nur zu gut.
»Das kann doch nicht alles sein!«
»Du lebst. Das ist alles. Lerne, das Beste daraus zu machen. Überlebe. Und finde endlich deinen Frieden!«
»Ich kann das nicht ...«
»Wir haben in Carchuna sicherlich nicht die besten Plätze bekommen. In der ersten Reihe sitzen andere. Vergiss aber nicht, dass die meisten von uns vom Mars stammen oder Kinder ohne Eltern sind.«
»Ich komme von der Erde.«
»Was durch den Tod deiner Eltern niemanden interessiert. Wie bei mir, auch meine Eltern sind bei der Ankunft gestorben. Du weißt genau, was passiert wäre, wenn wir uns nicht Andrej angeschlossen hätten!«, erklärte Claire.
»Ja. Ich habe es nicht vergessen«, antwortete Kira kleinlaut und lehnte ihren Kopf an Claires Schulter. Sie musste es ihr sagen, das mit den Kindern. Jetzt. Der richtige Moment würde sowieso nie kommen. »Ich kann keine Kinder
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