Genesis. Die verlorene Schöpfung (German Edition)
Oval angepflanzt worden waren. Der Pfad führte Kira bis um die nächste Ecke in eine Höhlennische.
»Unglaublich«, bemerkte sie überwältigt. Da waren zahlreiche Höhlenmalereien an den Wänden. Vorsichtig fuhr sie mit den Fingern die Linien entlang. Wer das früher gemalt hatte? Sie sollte ihre Annahme überdenken - denn die Schneckenköpfe waren sicherlich nicht die Erschaffer dieser Wandbilder - das waren eindeutig Humanoide gewesen!
Humanoide Lebewesen, dem Menschen erheblich ähnlicher als Schneckenköpfe. Kira konnte Feuerstellen erkennen, Frauen, Kinder, Werkzeuge und zahlreiche Tiere, die sie nicht direkt zuordnen konnte. Weder diese Menschenart noch die Tiere waren ihnen in den sieben Jahren auf Proxima begegnet. Hatten die sich auf dieser Welt parallel zum Menschen auf der Erde entwickelt? Oder hatte sie früher jemand hier hergebracht? Die Wandbilder würden ihr auf diese Fragen keine Antwort geben.
Kira sah sich weiter um. Die gesamte Felsennische war voller Höhlenmalereien. Andere Bilder zeigten die beiden Sonnen und Bäume. Zahlreiche Bäume, die auf der Oberfläche wuchsen und nicht in Höhlen darunter. Und eine Pyramide. Oder zumindest ein Bauwerk aus Stein, das einer Pyramide ähnlich sah. Im Unterricht vor einigen Jahren hatten sie auch über Pyramiden auf der Erde gesprochen. Und die Zeit der Pharaonen, eine frühe Hochkultur, die dem Wandel der Epochen nicht standhalten konnte.
Auf die Frage nach außerirdischem Leben waren die Schneckenköpfe eine eindeutige Antwort. Wenn auch eine, die sich viele Menschen sicherlich anders vorgestellt hatten. Auf der Suche nach einer intelligenten außerirdischen Kultur sollte man hingegen auf Proxima nicht die Frage stellen, ob, sondern besser, wann es sie gab. Kira folgerte, dass sie die Spuren einer untergegangenen Spezies gefunden hatte. Denn wenn von denen noch jemand leben würde, hätte es in den letzten sieben Jahren sicherlich eine Begegnung gegeben.
Kira ging einen Schritt zurück und betrachtete das Kunstwerk noch einmal in seiner gesamten Pracht. Diesen Moment wollte sie sich gut merken. Es war schon seltsam, auch wenn sie sich kaum ein abschließendes Urteil über die Erschaffer dieses Artefakts machen konnte, bei längerer Betrachtung wirkten einige Bildelemente eine Spur zu symmetrisch. Aber vielleicht hatten die früher auch einfach nur ein gutes Auge.
Kira lief bereits längere Zeit durch die Wüste. Der Wind wehte ihr streng ins Gesicht. Sie versuchte, sich so gut wie möglich gegen den feinen Staub zu schützen. Mit ihrem weiten Tuch verbarg sie Hände, Kopf und Körper. Der Boden unter ihren Füßen war steinhart. Und glühend heiß. Sie achtete auf jeden ihrer Schritte. In dieser Hitze zu stolpern, bedeutete an jeder ungeschützten Stelle der Haut schmerzhafte Verbrennungen zu erleiden.
Nach ihrer ungewöhnlichen Entdeckung unter der Erde hatte sie nur noch ein kurzes Stück gebraucht, um wieder den ihr bekannten Aufgang an die Oberfläche zu finden. In der flirrenden Hitze orientierte sich Kira an einem tonnenschweren Felsbrocken, der in einiger Entfernung aus der ansonsten flachen Einöde emporragte. Der Wind und der feine Sand hatten lange Zeit gehabt, sämtliches Leben wegzuschleifen, falls es überhaupt an diesem Ort jemals welches gegeben hatte.
Die Temperatur betrug knapp 60 Grad Celsius. Eine Hitze, die binnen kurzer Zeit tötete. Kira kam damit besser zurecht als andere. Sie schwitzte kaum, wodurch sie weniger Wasser brauchte und längere Strecken als andere schaffte. Schneckenköpfe hingegen starben an der Oberfläche innerhalb weniger Minuten. Was auch der Grund war, warum Andrej ihr Dorf in dieser Gegend hatte errichten lassen. In den letzten sieben Jahren war es noch keinem Schneckenkopf gelungen, in der Nähe des Dorfes erschossen zu werden.
Kira hatte es geschafft. Vor ihr lag Proxima XIV. So der offizielle Name ihrer Siedlung, den allerdings nur die benutzten, die nicht hier lebten. Wie die von Proxima I, die Stadt der Alten, die auch regelmäßig die weißen Steine holen kamen. Carchuna, so nannten sie dieses Wüstenloch, wenn sie unter sich waren. Andrej stammte aus einem andalusischen Dorf an der spanischen Mittelmeerküste mit diesem Namen. Einem Ort, den er anscheinend so geliebt hatte, dass er ihn nie mehr wiedersehen wollte. Kira hatte eine weit weniger emotionale Bindung an ihr Dorf, für sie war es schlicht der Platz, an dem sie gerade lebte. Auch wenn sie nicht wusste, was die Zukunft bringen
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