Genom
Unbeeindruckt steckte der Polizeisergeant eine große Hand nach ihm aus.
»Her damit. Letzte Chance.«
»Das kann nicht die letzte Chance sein.« Ein zweiter Lod starrte emotionslos auf den sich windenden, wimmernden Jiminy hinab. »Wir können ihn nicht umbringen, solange wir es nicht haben.«
»Halt die Klappe, Noril.« Der Sergeant kniete sich neben den weinenden Gefangenen auf den Boden und legte ihm eine Hand aufs Gesicht. Dann drückte er seine Finger, die eher an kleine Keulen erinnerten, zusammen. »Rede mit mir, Insektenjunge. Sag mir, wo es ist. Verwette dein Leben nichtaufgrund des Fauxpas des Corporals. Vertraue lieber darauf, dass wir das zurückkriegen, was du geklaut hast.« Er lockerte seinen Griff.
Vor Furcht und aufgrund der heftigen Schmerzen in seinem zertrümmerten Bein zitternd, hob die Grille mit Mühe einen Arm und deutete nach links. »Da … da drüben. Ich hab es weggeworfen. Ins Wasser.«
Daraufhin ließ der Lod-Sergeant das Gesicht seines Gefangenen los und deutete mit dem Kopf ungeduldig in die angegebene Richtung. Augenblicklich gingen zwei aus seinem Trupp dorthin.
»Hoffentlich ist es gut verpackt und nicht beschädigt. Und bete, dass wir es schnell finden«, knurrte der verärgerte Polizist.
Das Wasser war trübe, aber mit der fortschrittlichen Suchausrüstung, die der Polizei zur Verfügung stand, dürfte sie Jiminys Meinung nach keine großen Probleme haben, die ampuszierte Meldhand zu finden und zu bergen. Es war so oder so vorbei. Wenn sie das erst einmal hatten, weswegen sie gekommen waren, würden sie ihn ins Gefängnis sperren, wo er auf die richterliche Entscheidung zu warten hatte. Dort hätte er genügend Zeit, seine Verteidigung vorzubereiten.
Er hatte vor, alles Whispr in die Schuhe zu schieben. Der dürre Mann war nicht gerade wortgewandt und würde vermutlich kaum etwas zu seiner Rechtfertigung vorbringen. Während er über diese Möglichkeit nachdachte, fühlte sich Jiminy gleich etwas besser. Mit etwas Glück würde man ihn nur als Komplize beim Mord an dem Touristen und nicht als Anstifter dazu anklagen. Sein Zögern hatte ihm ein gebrochenes Bein eingebracht, doch das musste auf Staatskosten repariert werden, bevor er bei seiner Verhandlung erscheinen konnte. Vielleicht konnte er sogar die Behörden von Savannah wegen Polizeibrutalität und Gewaltanwendung anklagen. Die Sache war zwar nicht so gelaufen wie geplant, doch sie würde schon glimpflich enden. So wie immer.
Er hob eine Hand und versuchte, seine Augen vor dem Licht der hellen Lampen abzuschirmen, die noch immer in sein Gesicht strahlten. »Könnten Sie vielleicht etwas wegen des Lichts unternehmen? Es tut mir in den Augen weh.«
»Oh. Klar.« Der Sergeant blickte über die Schulter nach hinten und sagte zu einem der ihm untergebenen Melds: »Das Licht tut ihm in den Augen weh. Bringt das in Ordnung.«
Der größere Polizist nickte, und das Licht erlosch. Jiminy hatte gerade genug Zeit für einen kurzen Moment der Dankbarkeit, als der Meld ein Necap abschoss. Das aufgeladene durchsichtige Material landete direkt auf dem Kopf des Gefangenen, wo es haften blieb und sich ausbreitete, um dann jede einzelne zerebrale Neuralverbindung durch einen Kurzschluss zu deaktivieren. Jiminys Kopf sackte nach vorn, als sein Gehirn versagte. Der Sergeant beäugte den toten Gefangenen noch einen Moment lang, dann drehte er sich mit erwartungsvollem Gesicht zur Straßenabsperrung hinüber.
»Habt ihr es schon gefunden?«
Eine Stimme antwortete aus der Richtung des flachen Wassers weiter unten. »Noch nicht, Sarge!«
Eher zu sich selbst meinte sein Vorgesetzter: »Beeilt euch! Die Zentrale will es so schnell wie möglich zurückhaben!« Dann hob er den Kopf und ließ den Blick gen Süden und Osten über das Naturschutzgebiet schweifen. Der Insektenjunge hätte auch einfach gelogen haben können, dachte der Sergeant besorgt. Trotz seines gebrochenen Beins befand sich das, was sie zu bergen hatten, möglicherweise gar nicht an dem Ort, den ihnen der unverschämte Meld genannt hatte.
In diesem Fall wäre es umso wichtiger, den verschwundenen Partner des Toten so schnell wie möglich zu finden.
***
Als der größere Mond hinter den Wolken versank, die nördlich von Kuba her aufgetaucht waren, wirkten die Augen der Eule, als wären sie zwei weitere kleine Satelliten. Sie hing mit den tödlichen Klauen fest an einem Mangrovenast über dem Wasser und ließ leise ihren Ruf ertönen. Unter ihr lag ein etwa zwei Meter
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