Genosse Don Camillo
ist inbegriffen .«
Der junge Funktionär entfernte
sich steif und verärgert, und Peppone griff Don Camillo an:
»Wenn eine Sache inbegriffen
ist, braucht man sie nicht auszusprechen. Ferner sollte man, wenn man spricht,
den Ton wählen, der sich für die Person, die man vor sich hat, gebührt.
Du weißt wohl nicht, wer der
Genosse ist ?«
Don Camillo entgegnete
ungerührt:
»Ich weiß es. Es ist ein
Bursche von rund vierundzwanzig Jahren, der Anno 45 zehn Jahre zählte. Das
schließt aus, daß er mit uns in den Bergen gekämpft hat, daß er weiß, wie
schrecklich der Krieg ist, und werten kann, was jetzt der Genosse Chruschtschow
zugunsten der Abrüstung und des Friedens unternimmt .«
»Richtig !« bestätigte der Genosse Nanni Scamoggia, ein junger kräftiger Kerl aus dem
Trastevere, ein Bulle und Draufgänger von der Sohle bis zum Scheitel. »Wenn es
gilt, die Segel zu setzen und das Steuer zu führen, dann bleiben die
Funktionäre zu Hause .«
»Und wenn dann die Funktionäre
den Funktionalismus gebären«, fügte der Mailänder Genosse Walter Rondella bei,
»dann...«
»Wir sind nicht hier, um eine
Zellenversammlung abzuhalten«, schnitt ihm Peppone das Wort ab. »Schauen wir,
daß wir den Zug nicht verpassen !«
Er begann entschlossen
auszuschreiten, und als er an Don Camillo vorbeikam, warf er ihm einen Blick
voller Haß zu, einen Blick, der eine Säule aus Granit zersplittert hätte.
Don Camillo aber behielt
ungestört das finstere Gesicht eines Genossen, der immer und überall sagt, was
die »Unità« denkt, koste es, was es wolle.
Im Zug kümmerte sich Peppone
nur um eine einzige Sache: den verfluchten Genossen Camillo Tarocci nicht auch
nur eine kleine Sekunde aus den Augen zu lassen. Daher nahm er ihm gegenüber
Platz, um ihn stetsfort unter strenger Kontrolle zu haben. Jedoch schien es,
daß Don Camillo nicht die winzigste Absicht hatte, ihm Ungelegenheiten zu
bereiten. Er zog sogar ein Büchlein mit einem roten Umschlag, der mit einer
Unzahl von Sicheln und Hämmern bedeckt war, aus der Tasche und vergrub sich mit
undurchdringlicher Miene in die Lektüre, ohne im geringsten auf das zu achten,
was die andern schwatzten.
Zuweilen hob er die Augen von
dem Büchlein und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen, die vor dem
Fenster rasch vorbeiglitt.
Er hielt es eine ganze Weile
so, und als er endlich das Büchlein schloß und es in die Tasche schieben
wollte, sagte Peppone zu ihm: »Das muß eine interessante Lektüre sein, Genosse .«
»Interessant wie sonst keine«,
erwiderte trocken Don Camillo.
»Es ist eine Sammlung der
Gedanken Lenins .«
Er reichte ihm das Büchlein,
das Peppone durchblätterte.
»Schade, daß es auf französisch
ist«, erklärte Don Camillo.
»Immerhin kann ich dir einige
Stellen übersetzen, wenn du willst .«
»Danke, Genosse, bemühe dich
nicht«, antwortete Peppone, schloß das Büchlein und gab es zurück.
Dann schaute er vorsichtig in
die Runde und tat einen Seufzer der Erleichterung; die andern Genossen dösten
oder schnupperten in Illustrierten. Niemand konnte gemerkt haben, daß die
Sammlung der Gedanken Lenins, obwohl sie einen roten Einband mit den Emblemen
Sichel und Hammer aufwies und auf französisch einen Titel trug, der dem Leser
die besten Gedanken Lenins versprach, sich in Wirklichkeit und auf lateinisch
darauf beschränkte, den normalen Inhalt eines normalen Breviers zum Gebrauche
der Priester wiederzugeben.
Bei der ersten Haltestelle
stiegen zwei aus. Der Genosse Scamoggia kehrte mit einem Fiasco Wein zurück,
der Genosse Rondella mit der Sonderausgabe eines Abendblattes und einem
empörten Gesicht. Die Zeitung brachte auf der ersten Seite unter einem riesigen
Titel den Bericht vom letzten Tage Chruschtschows in Amerika, geschmückt mit
den gewohnten Fotos befriedigter und lächelnder Leute, die einander die Hände
schütteln.
Der Genosse Rondella schüttelte
den Kopf.
Plötzlich rief er aus: »Ich
kann dieses Anbiedern mit diesen kapitalistischen Schweinen einfach nicht
schlucken .«
»Die Politik wird nicht mit der
Galle, sondern mit dem Hirn gemacht«, gab Don Camillo zu bedenken. »Die
Sowjetunion hat immer für die friedliche Koexistenz gekämpft. Die Kapitalisten,
die mit dem Kalten Krieg Milliarden einheimsten, haben nichts zu lachen. Das
Ende des Kalten Krieges ist eine große Schlacht, die vom Kapitalismus verlo ren
wurde .«
Genosse Rondella, Mailänder,
war in die eigenen Ideen verliebt.
»Einverstanden, schön und
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