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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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blitzte das leuchtende Band eines Flusses auf, der ein Tal zwischen
den Bergen durchzog. Ab und zu zuckten die Lichter einer Stadt.
    Don Camillo stand am Fenster
des Seitenganges, rauchte seinen halben Toskano und genoß das Schauspiel.
    Peppone gesellte sich zu ihm.
Nachdem er lange den nächtlichen Zauber betrachtet hatte, seufzte er:
    »Man hat gut sagen, daß Reisen
bildet, aber wenn man sein Vaterland verläßt, dann merkt man erst, wie schön es
ist .«
    »Genosse«, ermahnte ihn Don
Camillo, »das ist dekadente bürgerliche Rhetorik und abgedroschener
Nationalismus .«
    »Und dann«, entfuhr es
unwillkürlich Peppone, »warum gibt es so Hirnverdrehte, die durchaus auf den
Mond gelangen wollen ?«
    »Genosse, ich war zerstreut und
habe deine Frage nicht verstanden .«
    »Besser so«, brummte Peppone.

Operation Rondella
     
    I n dem dreimotorigen Flugzeug,
das sie in einem Flughafen Ostdeutschlands an Bord genommen hatte, herrschte
ein Teufelslärm. Das zwang den Genossen Don Camillo zu schweigen und gestattete
dem Genossen Peppone, ziemlich ruhig zu reisen.
    Trotzdem verlor er Don Camillo
nie aus den Augen, denn dieser war eines jener Subjekte, die gefährlich sind,
auch wenn sie nicht reden. Aber Don Camillo führte sich durchaus anständig auf
und beschränkte seine antisowjetische Tätigkeit auf die Lektüre von Lenins
Maximen. Allerdings setzte Peppones Herzschlag beinahe aus, als der Genosse
Hochwürden das rote Büchlein schloß und in Gedanken versunken – die rechte Hand
zur Stirne führte. Aber er hatte sich gleich wieder in der Gewalt, verwandelte
das Tupfen in ein Streicheln der Stirne und beendete sein Unternehmen, indem er
mit den Fingerspitzen zuerst die Mitte seines Rockes säuberte und dann leicht
die linke und rechte Schulter bürstete.
    »Amen !« sagte Peppone zu sich und ließ seiner Brust einen Seufzer entweichen, der
seinen Vergaser entlastete.
    Das Flugzeug verlor langsam an
Höhe, und bald berührten seine Räder die russische Erde.
    »Herr, wie fern ist mein
Kirchlein«, dachte bestürzt Don Camillo, während er die Treppe hinunterstieg.
    »Doch der Himmel ist nah«,
beruhigte ihn die Stimme Christi.
    Don Camillo wurde wieder der
Genosse Tarocci.
    »Genosse Senator«, sagte er
wichtig zu Peppone, »hast du nicht das Verlangen, eine Faustvoll dieser Erde
aufzulesen, um sie zu küssen ?«
    Peppone zischte die Antwort
durch die Zähne: »Ja, sie zu küssen und dann in dein dreimal verdammtes Maul
hineinzustopfen .«
    Auf dem Flugplatz wurden sie
erwartet, und zwar nahte sich ein hübsches Mädchen, gefolgt von einem Mann, der
in einem langen, zerknitterten, ziemlich verschossenen Regenmantel steckte.
    »Willkommen, Genossen«,
begrüßte sie das Mädchen. »Ich bin Nadia Petrowna von der Zentrale der
Übersetzer, und das ist Genosse Yenka Oregow, Funktionär des Verkehrsbüros .«
    Das Mädchen sprach das denkbar
reinste Italienisch, und wenn es nicht ein slawisches Gesicht gehabt und nicht
ein so schlecht geschnittenes Kostüm mit eckigen Schultern getragen hätte, wäre
es leicht gewesen, es mit einem Geschöpf aus westlichen Gegenden zu verwechseln.
    Peppone stellte sich vor, dann
stellte er seine Mannschaft vor, und nachdem die Orgie des Händeschüttelns
vorbei war, überbrachte der Genosse Funktionär den italienischen Brüdern den
Gruß der sowjetischen Brüder, die mit ihnen graniten vereint seien im Kampf für
die Freiheit, die soziale Gerechtigkeit, den Frieden und so weiter und so fort.
    Der Genosse Funktionär, um die
Vierzig, untersetzt, mit rasiertem Schädel, die Kinnbacken quadratisch, die
Lippen dünn, die Augen hell, den Hals kurz, mit einem Mantel, der bis zu den
Füßen reichte, stank meilenweit nach einem Polypen. Er sprach mit harter
Stimme, war äußerst kühl und maßvoll in seinen Gebärden, und wenn niemand seine
Worte übersetzt hätte, wäre man der Meinung gewesen, daß er statt eines Grußes
eine Anklage vorbrächte.
    Auch die Genossin Nadia
Petrowna, ebenfalls eine Funktionärin der Partei, wies eine sehr besorgte Miene
auf, die sie am Lächeln verhinderte; aber im Grunde war sie doch von ganz
anderer Art als der Genosse Oregow.
    Der Genosse Nanni Scamoggia war
ganz verblüfft, als er sie so vor sich auftauchen sah, obwohl die Genossin
Nadia keineswegs das erste hübsche Mädchen war, dem er gegenüberstand.
Scamoggia war einer jener gutgebauten Burschen, die es in sich haben, die
Frauen ihre Hausadresse vergessen zu lassen: ein flotter Jüngling um

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