Genosse Don Camillo
schüttelte gleichfalls
den Kopf.
»Genossin«, brummte er, »wie
Lenin es will, sage ich dir die Wahrheit, auch wenn sie unangenehm ist:
Scamoggia hat keinen einzigen Schluck Wodka oder Kognak gehabt. Seine Handlung
war nicht die unbewußte eines Betrunkenen; sie hatte ihren bestimmten Grund und
ihre bestimmte Bedeutung .«
Die Genossin Petrowna war
wunderschön, und ihre Augen schimmerten feucht, als ob Tränen darin glänzten.
Ihre linke Wange war ein wenig röter als die andere, und sie bedeckte diese
Wange mit der Hand.
»Genosse«, beichtete sie leise,
»es ist demütigend, es zuzugeben, aber ich glaube, daß nicht einmal ich eine
ausreichende politische Reife erreicht habe .«
Don Camillo kreuzte auf.
»Stimmt etwas nicht ?« erkundigte er sich.
»Alles in Ordnung !« antwortete Peppone fest.
Drei Weizenpflänzchen
I n der Nacht hatte ein wütender
Wind – nur Gott weiß, woher er kam – über der weiten Ebene getobt, und sein eisiger Atem hatte
die vom Regen aufgeweichte Erde hart gemacht.
Don Camillo war der erste, der
am neuen Tag die Augen öffnete. Eistränen verkrusteten die Scheiben der
kleinen, vom Wind gepeitschten Fenster; der unmäßige Ofen strahlte eine
wohltuende Wärme aus. Die zehn »Erkürten«, auf einem improvisierten Lager um
den Ofen gepfercht, schliefen, vom Getümmel und vom Wodka gefällt, einen
bleiernen Schlaf.
Don Camillo hatte sich wie alle
andern bekleidet auf sein Lager geworfen; er hatte nur die Schuhe ausgezogen,
und Peppone lag auf der Pritsche an seiner Seite.
Wenn er nicht so fürchterlich
schnarchte, dachte Don Camillo, nachdem er ihn eine Zeitlang betrachtet hatte,
täte es mir beinahe leid, daß ich ihm so viele Ungelegenheiten bereitet habe.
Don Camillo warf rasch einen
prüfenden Blick um sich: Ausgenommen der Genosse Oregow und die Genossin Nadia
Petrowna waren alle vorhanden, und der Genosse Salvatore Capece hatte sein
nasses Pflaster auf dem linken Auge.
»Jesus«, betete Don Camillo,
»habe Mitleid mit diesen armen Leuten und versuche, ihre verdreckten Gehirne zu
erleuchten .«
Er schwang die Beine von der
Pritsche herab, um die Schuhe zu angeln. Nachdem er den linken ohne besondere
Schwierigkeit angezogen hatte, fand er, als er den rechten vom Boden nahm, ein
unerwartetes Hindernis. Der Schnürsenkel mußte sich in irgendeinem Spalt des
hölzernen Fußbodens verfangen haben, und er versuchte, ihn mit einem Ruck zu
lösen.
Sofort hörte das Schnarchen
Peppones auf, und das geschah nicht durch Zufall, sondern weil Don Camillos
rechter Schuh mit einer Schnur an den Knöchel Peppones geknüpft war.
»Genosse«, erklärte Don Camillo
bitter, während er seinen Schuh wiedererlangte, »ich begreife dein Mißtrauen
mir gegenüber nicht .«
»Nach dem, was Ihr unter meinen
Augen angestellt habt«, knurrte Peppone und saß auf, »kann ich mir vorstellen,
was Ihr anrichten könntet, wenn ich schlafe .«
Sie verließen den Saal des
Sowjets, um sich das Gesicht an einer Pumpe zu waschen. Es blies ein scharfer
und kalter Wind, der einem den Atem nahm und das Volk in den Hütten mit
Strohdächern zurückhielt. Doch kaum hatten Don Camillo und Peppone einigermaßen
ihre Toilette beendet, belebte sich die Kolchose plötzlich.
Es kam nämlich ein Lastwagen
an, und aus irgendeinem Winkel tauchten der Genosse Oregow und eine Gruppe
Kolchoser auf. Als der Lastwagen mitten auf dem Platz vor der Sowjetbaracke
anhielt, umgaben ihn alle, und auch Don Camillo und Peppone machten sich auf,
den Kreis zu vergrößern.
Als erster sprang ein Bursche
vom Lastwagen, dem die andern halfen, ein Motorrad abzuladen.
Dann stieg auch der Chauffeur
aus, um vom Genossen Oregow irgendwelche Befehle entgegenzunehme n, und als er
den Kragen seines Pelzes herunterschlug, zeigte er das bekannte Gesicht von
Stephan Bordonny.
Die Verstärkungen, die der
Bursche mit dem Töff bei der Kolchose Grevinec angefordert hatte, waren
angekommen.
Jetzt traten der Chauffeur des
Autobusses und die Genossin Nadia Petrowna auf den Schauplatz. »Macht euch
keine Sorge«, erklärte die Genossin Nadia dem Don Camillo und Peppone,
»das Ersatzteil hat sich in
Grevinec gefunden, und alles wird in Ordnung kommen .«
»Man wird den Autobus mit dem
Lastwagen bis hierher schleppen müssen«, bemerkte Peppone.
Stephan schüttelte den Kopf und
sagte auf russisch etwas, das die Genossin Nadia
übersetzte.
»Das ist nicht möglich. Die
Straße ist mit Glatteis bedeckt; der Lastwagen ist leicht und hat
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