Genosse Don Camillo
verstehe mein Handwerk, ich bin
der einzige Coiffeur der Gegend und wandere von Kolchose zu Kolchose, um Bärte
und Haare zu pflegen. Meine Spezialität sind die Dauerwellen .«
»Die Dauerwellen?«
»Kommandant, die Frauen sind
auf der ganzen Welt gleich, und wenn sie sich verschönern können, verzichten
sie sogar auf das Essen. Kaum hatten die andern ein Mädchen mit dem Kopf einer
Pariserin gesehen, da begehrten sie alle Locken. Und das Gerücht davon lief von
Kolchose zu Kolchose. Ihr versteht mich ?«
»Gewiß verstehe ich«, rief
Peppone aus. »Ich verstehe nur nicht, warum du in der Patsche steckst !«
»Kommandant, ein junger Mann,
allein im großen grenzenlosen Rußland... Laßt euch nicht auch durch die Fabel
von der freien Liebe täuschen. Tausendmal hat man mir in Rumänien von der
freien Liebe hier gesprochen.
Aufschneiderei! Auch hier
bekommst du Hiebe, daß es dir den Atem nimmt, wenn ein Mann dich findet, wie du
mit seiner Tochter oder seiner Frau scharmuzierst. In der ersten Kolchose –
ich gebe es zu – haben sie mich dabei erwischt und mit Fußtritten in eine
andere Kolchose befördert. Doch auch in dieser zweiten Kolchose hat mich das
Pech verfolgt, und ich bin per Fußtritte in die dritte gekommen. Und so
weiter.«
»Und warum sorgst du dich ?« Peppone kicherte. »Die Sowjetunion weist achtzigtausend
Kolchosen auf .«
»Der Nachteil ist«, erklärte
traurig der Kolchoser, »daß ich nur einen Hintern habe .«
Peppone wurde von einem
Lachkrampf gepackt, und Don Camillo benützte den Augenblick guter Laune.
»Chef«, sagte er, »dieser arme
Kerl scheint Spaß zu machen, aber er hat ein verrücktes Heimweh nach Neapel.
Warum sollen wir ihm nicht helfen ?«
»Ihm helfen? Und wie? Wir
können ihn nicht in einem Koffer nach Italien bringen !«
»Nein, aber der Genosse
Rondella wurde in die Heimat zurückgeschickt, und dein Reisepaß lautet auf elf
Personen, während wir jetzt unser zehn sind !«
»Du bist verrückt !« stellte Peppone fest. »Mit dem Genossen Oregow, der uns
keine winzige Sekunde freiläßt!«
»Irgendwann wird er uns
freigeben müssen .«
»Schwatzen wir kein dummes
Zeug«, kürzte Peppone das Gespräch ab. »Er bleibt hier, um sein Handwerk
auszuüben.
Läßt er die Frauen der anderen
in Ruhe, so ist alles in Ordnung .«
»Kommandant !« wehrte sich schüchtern der Kolchoser. »Was für eine Sorte Kommunismus wäre das ?«
»Gewiß, einverstanden, du bist
ein spaßiger Kerl«, bemerkte Peppone, »aber ich will nichts mehr von dieser
Geschichte hören .«
Peppone ging hinaus.
Die Hölle im Saal wurde je
länger je höllischer, und Peppone suchte verzweifelt nach der Genossin Nadia – verzweifelt, weil weder der Genosse Salvatore Capece noch
der Genosse Scamoggia zu sehen war.
Schließlich kam die Genossin
plötzlich zum Vorschein, und er hielt sie fest:
»Und jetzt?«
»Ich bin zu spät gekommen«,
gestand die Genossin Nadia Petrowna, »sie hatten sich beide schon
hinausbegeben. Ich habe sie erst eingeholt, als alles fertig war .«
»Wo ist jetzt Capece ?«
»Auf dem Heustock des Stalles
Nummer drei.«
»Und Scamoggia?«
»Auch auf dem Heustock des
Stalles Nummer drei. Er macht kalte Umschläge aufs Auge des Genossen Capece .«
»Hat niemand gemerkt, was
Scamoggia angerichtet hat ?«
»Niemand«, sagte mit
verkniffenen Lippen die Genossin Nadia Petrowna, »niemand, ausgenommen der
Genosse Capece, der die Faust aufs Auge bekam, und die Genossin Nadia Petrowna,
die eine Ohrfeige erhielt .«
Die Genossin Nadia Petrowna
richtete sich auf und ballte die Fäuste.
»Verstehst du ?« sagte sie mit einer Stimme, in der noch die Empörung zitterte. »Verstehst du?
Dieser Lump hat den Mut gehabt, mich zu ohrfeigen !«
Das war eine schwerwiegende
Sache, denn Nadia Petrowna war nicht irgendein sowjetischer Bürger, sondern ein
wichtiges Mitglied der Partei und Funktionär des Staates.
»Ich verstehe«, antwortete Peppone
ernst. »Und ich frage dich: Willst du, daß ich ihn so verhaue, daß er lumpiger
als ein Lumpen wird, oder ziehst du es vor, daß ich ihn beim Genossen Oregow
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Die Genossin Nadia Petrowna
schüttelte den Kopf.
»Für den guten Ruf der Partei«,
antwortete sie edelmütig,
»muß man die persönlichen
Rachegefühle aufopfern können.
Lassen wir die Sache auf sich
beruhen! Jetzt ist er vom Wodka geschwollen. Wenn die Alkoholdünste verfliegen,
wird er die Schwere seiner banalen und blöden Handlung begreifen .«
Peppone
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