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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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Lumpen die Hände und zog den Mantel wieder an. Er schwänzelte ein
wenig um Don Camillo herum, der seinen halben Toskano rauchte; dann faßte er
Mut und blickte ihm ins Auge.
    »Genosse«, sagte er halblaut,
»wenn du nichts zu tun hast, möchte ich mit dir sprechen .«
    »Jetzt sind die Techniker an
der Reihe«, antwortete Don Camillo. »Reden wir miteinander, Genosse !«
    Sie schlugen langsam den Weg
nach Norden ein.
    »Genosse«, begann der Genosse
Tavan sichtbar verwirrt, »du sagst richtige Sachen, und ich gebe dir recht.
Hingegen irrst du, wenn du die Bauernklasse in Bausch und Bogen verdammst. In
der Stadt arbeiten die Arbeiter gemeinsam, sind mit dem Fortschritt und dem
politischen Leben in Kontakt. Auf dem Land arbeiten die Bauern voneinander
abgesondert und können daher nicht den gleichen Gemeinschaftssinn haben. Sie
zum Verständnis gewisser Dinge zu bringen, ist eine harte Sache, und nicht
immer sind sie des Verstehens fähig. Aber es gibt solche, die verstanden haben,
worum es geht .«
    Der Genosse Tavan erregte mit
seinem knochigen und dunklen Gesicht und seinen großen Ohren ein wenig Mitleid,
und Don Camillo fühlte sich entwaffnet.
    »Ich weiß, daß du ein tüchtiger
Genosse bist«, erwiderte er.
    »Vielleicht habe ich unklug
gesprochen, weil ich nicht bedachte, daß ich deinen Klassenstolz verletzen
könnte .«
    »Du hast gut gesprochen«,
stellte der Genosse Tavan fest.
    »Die Bauernklasse ist so, wie
du es sagst, aber sie wird sich ändern. Jetzt ist es unmöglich, weil noch die
Alten da sind. Und die Alten zählen viel auf dem Land. Sie haben den Kopf voll
falscher Ideen, aber wie kann man ihnen widersprechen? Sie haben doch
schließlich ihr Leben mit knochenzermürbender Arbeit verbracht! Die Partei hat
recht, doch die Alten befehlen.
    Die Partei spricht zum Gehirn,
die Alten sprechen zum Herzen, und oft, selbst wenn echte Ideen vorhanden sind,
bringt das Herz das Hirn zum Schweigen .«
    »Genosse, ich bin von Bauern
geboren und begreife dich«, antwortete Don Camillo. »Das ist die wahre
Schwierigkeit auf dem Land. Und deshalb müssen wir die Propaganda verstärken .«
    Sie gingen eine Weile still
nebeneinander her.
    »Genosse«, sagte auf einmal der
Genosse Tavan. »Ich, meine Frau und meine Kinder, wir leben mit meinem Vater,
der fünfundsiebzig Jahre alt ist, und meiner dreiundsiebzigjährigen Mutter auf
einem Hof inmitten der Ebene, den unsere Familie seit hundertfünfzig Jahren
gepachtet hat. Meine Mutter und mein Vater begeben sich einmal im Jahr ins
Dorf, und in der Stadt waren sie ein einziges Mal. Was kann ich ihnen erklären?
    Und erst noch nach dem, was
vorgefallen ist?«
    Don Camillo schaute ihn fragend
an.
    »Genosse«, ermutigte er ihn,
»wenn du etwas zu sagen hast, so sag es ruhig. Ich höre dich als Mensch an,
nicht als Parteimann .«
    Der Genosse Tavan sah ihn an.
    »Ich hatte einen Bruder, der um
fünf Jahre jünger war«, erklärte er. »Der Krieg hat ihn uns genommen. Mein
Vater hat sich damit abgefunden, hingegen meine Mutter nicht. Als sie hörte,
daß ich hierher kommen würde, hat sie mir keine Ruhe mehr gelassen. Und ein
dutzendmal habe ich schwören müssen, das zu tun, was sie sagte .«
    »Wo ist er gestorben ?« fragte Don Camillo.
    » Er ging dorthin, wohin man ihn schickte, der arme Junge. Er ist hier gefallen. In
der Schlacht von Weihnachten 1941.«
    Der Genosse Tavan hatte eine
lebendige Katze im Leib und befreite sich jetzt von ihr.
    »Meine Mutter hat mich
gezwungen zu schwören, daß ich mein möglichstes versuche, um sein Grab zu
finden und dieses da vor sein Kreuz zu setzen .«
    Er hielt Don Camillo ein
Wachskerzchen hin.
    »Ich begreife dich, Genosse«,
sagte er. »Aber wie willst du auf den zweiundzwanzig Millionen
Quadratkilometern der Sowjetunion das Flecklein Erde finden, wo dein Bruder
begraben ist ?«
    Der Genosse Tavan zog eine
abgewetzte Brieftasche aus seinem Rock und suchte fieberhaft in ihrem Innern.
    »Da ist sie«, keuchte er und
reichte Don Camillo eine vergilbte Fotografie. »Der Feldgeistliche hat sie
meiner Mutter gegeben. Sie zeigt das Kreuz mit dem Namen meines Bruders.
    Auf der Rückseite stehen der
Name der Ortschaft und ein genauer Plan der Gegend .«
    Don Camillo kehrte die Aufnahme
um, dann gab er sie dem Genossen Tavan zurück.

    »Verstehst du, Genosse ?« keuchte der andere. »Das Grab ist ausgerechnet hier, in
dieser Gegend, und ich muß mein möglichstes tun, um es zu suchen. Aber wie kann
ich diese Leute fragen, wo sich der

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