Genosse Don Camillo
Bacciga, Genueser, die Kolchosenleute mit
unglaublichen Zaubertricks behexte.
»Die Freizeitgestaltung und das
Fernsehen haben sehr viel zur kulturellen Hebung der Arbeitermassen
beigetragen«, teilte Don Camillo dem Peppone mit.
»Zweifelsohne«, antwortete
Peppone. »Ich glaube übrigens, daß es passender ist, statt daraus Plakate zu
machen, davon eine Serie Ansichtskarten herzustellen und diese zugunsten der
Hilfswerke der Partei zu verkaufen .«
»Wovon?«
»Von den Fotos, die geknipst
wurden, während der hochwürdige Erzpriester in falschem Gewande fröhlich mit
den Mädchen tanzte.«
»Wir sind noch nicht am Ende«,
entgegnete Don Camillo finster. »Bis wir wieder nach Italien kommen, haben wir
noch einen weiten Weg .«
Als die Tänze wieder begannen,
trat ein kleiner, magerer Kolchoser herzu. Er mochte um die vierzig sein.
»Genosse«, sagte er halblaut im
besten Italienisch zu Don Camillo, »bist du der Chef ?«
»Nein«, antwortete Don Camillo
und wies auf Peppone. »Der Chef ist dieser aufgeblasene Speckmocken. Ich bin
nur der Zellenchef .«
»Ich sag's euch beiden«, fuhr
der andere fort, fast ohne die Lippen zu bewegen, »es tut sich etwas Schlimmes.
Der römische Genosse wird sich auf den Genossen aus Neapel stürzen und diesem
den Kopf zerschlagen, wenn er das Mädchen nicht losläßt .«
Es war befremdlich, daß ein
Kolchoser so sprach, aber man mußte das Unheil vermeiden, und Peppone startete
wie eine Rakete.
Don Camillo begann vor dem
seltsamen Kolchoser zu gestikulieren; nachdem dieser ihm ein bißchen zugeschaut
hatte, begann er zu lachen und ließ so verstehen, daß er verstanden hatte.
»Wodka, Wodka !« rief er aus.
»Auf! Auf !« antwortete Don Camillo.
Im Büro »Wodka und Verwaltung«
konnten sie frei von der Leber reden.
»Herr«, sagte der Kolchoser,
»ich bin Rumäne .«
»Wieso sprichst du denn
italienisch mit Neapolitaner Akzent ?«
»Weil ich aus Neapel bin. Ich
war Matrose und begegnete mit neunzehn Jahren, Anno 39, einem flotten Lottchen.
Ich kam von Rumänien und fuhr nach Rumänien zurück. Ich schiffte mich auf einem
Frachter ein, der nach Constanza ging. Dort ging ich an Land und machte mich
auf die Suche nach dem Lottchen .«
Der Kolchoser breitete die Arme
aus und schüttelte seufzend den Kopf.
»Du hast sie nicht gefunden ?« erkundigte sich Don Camillo.
»Doch, ich habe sie gefunden,
aber ich kam nicht zur rechten Zeit .«
»Zu spät? War sie schon
verheiratet ?«
»Nein, zu früh, denn sie war
noch nicht verheiratet. So heiratete ich sie. Zum Glück brach dann der Krieg
aus. Die Russen trafen ein, und da sie Leute suchten, die in den Kolchosen
arbeiten wollten, meldete ich mich freiwillig und fuhr ab .«
Während der seltsame Kolchoser
seinen Bericht erstattete, drehte Peppone die Genossin Nadia herum. Am Schlusse
einer Mazurka hatte er sie dem Genossen Capece abgenommen und sich Hals über
Kopf in den Walzer gestürzt, den wenig später die Handharmonika anstimmte.
»Genossin«, sagte Peppone
ernst, »versuche mich zu verstehen. Der Scamoggia ist ein äußerst tüchtiger
Aktivist und gut geschult, aber er besitzt noch keine ausreichende politische
Reife. Mit andern Worten: er hat noch bürgerliche Überbleibsel .«
»Das habe ich auch gemerkt«,
gab die Genossin Petrowna zu,
»doch glaube ich, daß er sich
davon befreien kann .«
»Einverstanden. Das Unheil ist,
daß er diese bürgerlichen Überbleibsel heute abend noch hat und daß er den
Genossen mit der Gitarre, wenn du nicht aufhörst, mit diesem zu tanzen, beim
Kragen nimmt und durchbläut. Ich kenne meine Männer und bin dessen gewiß. Ich
möchte nicht, daß das Fest auf diese unsympathische Weise zu Ende ginge. Wie
dem auch sei, meine Pflicht war es, dich zu warnen .«
Sie beendeten den Tanz, ohne
mehr zu reden, und verließen einander am Schluß.
Peppone begab sich entschlossen
auf das Büro »Wodka und Verwaltung«, und Don Camillo setzte ihn über die
Geschichte des Rumänen ins Bild.
»Ein armer Kerl«, endete er,
»der sich nie um Politik gekümmert hat und uns um Hilfe angeht. Er steckt in
der Patsche !«
Peppone zuckte die Achseln.
»Er hat sich selbst
hineingesteckt«, knurrte er. »Warum ist er nicht geblieben, wo er war ?«
»Weil da auch meine Frau war«,
erklärte der Mann. »Ich hatte kein anderes Mittel als zu fliehen. Überdies ist
es für einen Neapolitaner leichter, in Rußland Rumäne zu sein als in Rumänien.
An sich würde es mir ausgezeichnet gehen. Ich
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