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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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Moskau erschien als die
Hauptstadt der sowjetischen Traurigkeit.

Der Untergang des Genossen Oregow
     
    Sie verließen Moskau in der
Morgendämmerung, und während sie mit dem Autobus Richtung Flughafen fuhren,
sahen sie nur Frauen, die mit der Straßenreinigung betraut waren. Sie wuschen
den Asphalt mit kräftigen Wasserstrahlen und vollendeten mit den Besen das Werk
der modernen Fegemaschinen, die ebenfalls von Mädchen und Familienmüttern
gehandhabt wurden.
    Don Camillo machte Peppone
leise darauf aufmerksam, wie diese Frauen in jeder Gebärde die innere
Genugtuung offenbarten, gleiche Rechte wie die Männer erobert zu haben.
    »Es ist ein tröstliches
Schauspiel«, schloß Don Camillo, »das man nur in der Sowjetunion genießen kann .«
    »Jenes, das man eines Tages bei
uns genießen wird«, gab Peppone vertraulich zurück, »wird noch tröstlicher
sein, denn wir werden diese Arbeit den Priestern zuweisen .«
    Ein eisiger Wind, der nach
Sibirien roch, lief herrschsüchtig durch die großen verlassenen Straßen, aber
auf dem grenzenlosen Roten Platz fand er Nahrung für sein Wolfsgebiß.
    Im ersten Augenblick hatte man
den Eindruck von Lumpenbündeln, die in Erwartung des Kehrichtwagens hier
aufgereiht worden waren. In Wirklichkeit handelte es sich um Pilger, die auf
die Öffnung des »Heiligtums« warteten.
    Leute, die aus Usbekistan, aus
Georgien, von Irkutsk oder von weiß Gott wo aus allen sowjetischen Republiken
gekommen und mitten in der Nacht am Bahnhof von Moskau ausgeschüttet worden
waren, lagerten vor dem Mausole um Lenins und Stalins und warteten geduldig,
indem sie auf ihren Reisesäcken saßen und sich wie Schafe, die auf der Weide
nächtigen müssen, aneinanderdrängten.
    »Genosse«, vertraute Don
Camillo dem Peppone an, »wie ganz anders ist das als zu den erbärmliche n
Zeiten, da die armen Muschiks, die aus allen Teilen Rußlands auf ihren rohen
und langsamen Karren eingetroffen waren, in der Umgebung des kaiserlichen
Palastes biwakierten, wo sie oft tagelang warteten, um den Zar oder die neue
Zarin zu sehen.«
    »Eines is t der Sklave, der
kommt, um dem Tyrannen seine Unterwerfung zu bezeugen«, stellte Peppone
halblaut fest, »etwas anderes der freie Bürger, der kommt, dem zu danken, der
ihn befreit hat .«
    »Ohne jene vielen zu zählen«,
fügte Don Camillo bei, »die vielleicht kommen, um sich zu vergewissern, daß
Lenin und Stalin wirklich tot sind .«
    Peppone kehrte sich lächelnd um
und erklärte Don Camillo mit halber Stimme:
    »Wenn ich daran denke, daß ich
Euch morgen gegen Mitternacht am Bahnhof in Mailand ausladen werde, muß ich
mich zwicken, um mich zu überzeugen, daß ich nicht träume.
    Vergnügt Euch nur; es bleiben
Euch bloß noch wenige Stunden !«
    Denn nunmehr war das Abenteuer
beinahe zu Ende. Um neun Uhr würde ein Flugzeug sie in S. absetzen. Hier würden
sie um Mittag, nach dem Besuch der Werft, an Bord eines Schiffes gehen, um die
Stadt O. zu erreichen. Dort sollte um siebzehn Uhr das Flugzeug nach Berlin
starten.
    Der Einfall der Schiffsreise
war dem Genossen Oregow gekommen; die italienischen Genossen waren im Flugzeug,
im Zug, im Auto, im Tram, mit der Untergrundbahn und zu Fuß gereist. Um ihnen
einen Begriff von allen Möglichkeiten des sowjetischen Verkehrs zu geben,
fehlte nur noch eine Reise auf dem Meer. Der Vorschlag war von der zuständigen
Behörde genehmigt worden, was der Genosse Oregow mit berechtigtem Stolz
quittiert hatte.
     
    Genau um neun Uhr landete das
Flugzeug auf dem Flugplatz von S., einem Feld, das der geringen Bedeutung von
S.
    entsprach. Es war eine
Kleinstadt, deren Dasein nur durch die Schiffswerft gerechtfertigt wurde. Im
großen und gutgeschützten Hafen, der den zu reparierenden Schiffen als
Unterkunft diente, lag jede Art Schiff auf Dock, und der Genosse Bacciga,
Genuese und Seemann, der sich endlich in seinem Element befand, zeigte eine
Gelöstheit der Zunge, die bisher nie in Erscheinung getreten war.
    Unter den Schiffen jedes Alters
stach ein funkelnagelneuer Petroltanker hervor. Der Genosse Bacciga stellte den
Tonnengehalt und andere technische Besonderheiten mit soviel Sicherheit fest,
daß der Genosse Oregow zur Überzeugung kam, die Gäste kämen vorerst sehr gut
ohne ihn zurecht. Deshalb übergab er sie der Obhut der Genossin Nadia und ging
zur Werft, um die Einzelheiten des Besuchs abzumachen.
    Der Genosse Bacciga war
großartig. Er wußte auf jede Frage der Genossen eine genaue Antwort. Von Zeit
zu Zeit rief er

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