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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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rief
die Genossin Nadia aus. »Und wie lebt der durchschnittliche Arbeiter? Zum
Beispiel ein Arbeiter von der Sorte Scamoggias, wieviel verdient der ?«
    »Scamoggia ist nicht als
durchschnittlicher Arbeiter zu betrachten«, stellte Peppone klar. »Der Genosse
Scamoggia ist ein spezialisierter Mechaniker; er hat seine eigene kleine
Werkstatt und eine große Kundschaft; er verdient gut .«
    »Wieviel etwa ?« fragte Genossin Nadia gleichgültig.
    Peppone stellte im Geist
Berechnungen an; dann antwortete er:
    »Den Rubel zu dreißig Lire
gerechnet ungefähr siebentausend Rubel im Monat .«
    Die beiden Mädchen sprachen ein
wenig auf russisch miteinander; dann sagte die
Genossin Nadia:
    »Alles hängt von der Kaufkraft
der Lire ab. Wieviel kostet in Rubeln ein Anzug für Männer? Wieviel ein Paar
Schuhe?«
    »Das hängt von der Qualität der
Ware ab«, erklärte Don Camillo. »Ein Paar Schuhe zwischen siebzig und
dreihundertfünfzig Rubel, ein Anzug zwischen siebenhundert und
tausendvierhundert.«
    Peppone trug einen fabelhaften
blauen Doppelreiher, wie sich das für einen Senator gehört, und die Freundin
der Genossin Nadia betastete den weichen Stoff eines Ärmels.
    »Was kostet dieser zum Beispiel ?« erkundigte sie sich.
    »Vierzigtausend Lire«,
antwortete Peppone.
    »Ungefähr
tausenddreihundertfünfzig Rubel«, erläuterte Don Camillo.
    »Aber Scamoggia«, fing Peppone
wieder an, »ist ein besonderer Fall. Scamoggia ist kein gewöhnlicher Arbeiter.
    Scamoggia...«
    »Scamoggia, Scamoggia !« rief lachend die Freundin der Genossin Nadia. »Immer
Scamoggia! Ist das zufällig jenes schreckliche Individuum, das sich in der
Kolchose Tifiz so schlecht betragen hat? Ich kann nicht verstehen, daß ein so
schlechter Mensch in der Partei bleiben darf .«
    »Er ist nicht schlecht !« wehrte Peppone ab. »Er ist ein gescheiter, tüchtiger und
zuverlässiger Genosse. Sein Verhalten täuscht .«
    »Dann trägt also eine schlechte
Erziehung schuld, die er in einer schlechten Familie erhalten hat«, bestand die
Freundin der Genossin Nadia auf ihrer Ansicht.
    »Nein«, stellte Peppone
entschieden fest. »Seine Familie besteht aus äußerst braven Leuten. Ihr könnt
das nicht begreifen, weil ihr Rom nicht kennt. Die römischen Männer machen
auswärts den Eindruck von dreimal Verdammten. Aber zu Hause öffnen sie nicht
einmal den Mund, weil sie eine fürchterliche Angst vor der Gattin haben .«
    »Hat auch Scamoggia Angst vor
der Gattin ?« fragte die Freundin der Genossin Nadia.
    »Nein«, Peppone kicherte. »Noch
nicht, weil er nicht verheiratet ist. Aber wenn er heiratet, wird er sich wie
alle andern verhalten .«
    Die Genossin Nadia fuhr dazwischen
und verlangte genauen Bericht über die italienische Schwerindustrie und über
die Produktion an Südfrüchten. Peppone war ausgezeichnet im Bild und schoß
haufenweise Ziffern.
    Die Genossin Nadia lauschte ihm
mit äußerster Aufmerksamkeit und wollte um jeden Preis einen zweiten Kaffee
zubereiten.
    Sie anerbot sich schließlich,
die Gäste zum Hotel zurückzubringen, aber sie schlugen das ab und kehrten
allein zur Basis zurück.
    Unterwegs meinte Peppone, in
Italien würde man schwerlich Frauen von soviel politischer Reife wie die
Genossin Nadia und ihre Freundin finden.
    »Was bedeuten den italienischen
Frauen die Schwerindustrie und die Obsterträgnisse der Sowjetunion ?« rief er aus.
    »Nichts«, erwiderte Don
Camillo. »Die italienischen Frauen wollen nur wissen, ob der junge Mann, der
ihnen den Hof macht, verheiratet ist oder nicht, was er tut und was er
verdient, was für einen Charakter er hat, aus welcher Familie er kommt und
ähnliches dummes Zeug.«
    Peppone hielt an, von einem
Verdacht gepackt.
    »Wollt Ihr damit vielleicht
sagen, daß...«
    »Ich denke nicht einmal daran !« unterbrach ihn Don Camillo.
    »Stellst du dir vor, ich nähme
an, ein kommunistischer Senator käme nach Moskau, um den Heiratsvermittler zu
machen? Er ist hier, um der Sache zu dienen, keineswegs aber Genossinnen, die
einen Mann wollen .«

    »Jawohl«, brüllte Peppone, »das
stimmt ganz genau! Weder ledigen Genossinnen noch verheirateten Genossinnen,
obwohl ich, wenn es nach meiner Frau ginge, die Gelegenheit benützen müßte, um
einen Pelz, wie ihn die Genossin Nilde Jotti hat, nach Hause zu bringen.«
    Das war eine Sache, die ihm
seit langem auf dem Magen lag, und jetzt, da er sie gekotzt hatte, war ihm
leichter.
    Es war zehn Uhr abends. Ein
eisiger Wind fegte durch die leeren Straßen, und

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