Gentec X 04 - Der Kampf um die Erde
Medizinfrau wirkte ziemlich ungerührt. An ihrem Gürtel baumelte der Schrumpfkopf ihrer Ahnfrau Goji-Goji. Die 26 übrigen Indios stellten sich in einer Gruppe auf, ein elender Haufen.
Die Wachttürme waren besetzt. Auf zwei Jeeps mit darauf montierten Maschinengewehren standen Söldner Crozeiros in Tarnanzügen. Sogar eine Laserkanone war auf uns gerichtet.
»Ich komme mir so gefährlich wie ein Schlachtschiff vor«, sagte ich leise zu Nick.
Er grinste. Crozeiro deutete auf uns.
»Reden Sie, Miss Snipe, oder …«
»Ich weiß nicht mehr, als ich Ihnen sagte, Sir.«
Ein kurzer Wink des Despoten, und Capitan da Costa erschoss einen Jacaranda-Indio mit der Pistole. Der Schuss krachte. Durch den Kopf geschossen stürzte der Indio nieder. Es war das Werk eines Augenblicks gewesen.
Ich hasste Crozeiro in dem Moment so, dass ich ihn hätte umbringen können. Doch ich beherrschte mich.
»Ich kann unbegrenzt so weiter machen«, sagte Crozeiro.
»Und wenn Sie uns alle umbringen, Sir, ich weiß nicht, was für Kräfte die Mutanten haben, noch wie viele von ihnen es gibt. Ich bin keine Mutantin. Nick auch nicht.«
»Das stimmt, das wüsste ich.« Er wusste über den Kampf beim Jacranda-Dorf Bescheid, die Gencoys hatten ihm mitgeteilt, was dort geschah. »Aber Sie wissen mehr …«
Auf einen weiteren Wink von ihm riss der Mestize, den ich zuvor in der Halle in den Unterleib getreten hatte, Chicago aus Iquiris Händen. Die Indiofrau wollte ihm das Baby wieder wegnehmen. Doch zwei Söldner stießen sie derb zurück.
Der Mestize packte das Baby an den Beinen und ließ es nach unten hängen. Chicago war so überrascht, dass sie nicht schrie.
Aber ich schrie auf.
»Lassen Sie das, Sir!«
»Rede jetzt, Sniper, packe alles aus, was du weißt. Oder, bei Gott, das Balg wird es büßen.«
Es war eine Blasphemie, das er den Namen Gottes überhaupt in den Mund nahm. Ich zögerte.
»Sir«, sagte ich dann, »Sie erwähnten vorhin, ich sollte mich auf die richtige Seite schlagen und mit den Gencoys kooperieren. Das tue ich, wenn Sie mir das Baby nicht auf der Stelle übergeben und mir zusichern, dass es und die Indios nicht mehr angerührt werden. Kein kaltblütiger Mord mehr. Und das versichere ich Ihnen: Wenn ich mit den Gencoys kooperiere, wird es zu Ihrem Schaden sein. Dann können Sie sich auf eine Restverwertung gefasst machen.«
Ich schaute ihm fest in die Augen.
»Ich, Sir, bin für die Gencoys wertvoller als Sie.«
Er wollte etwas sagen, schwieg aber. In seinen Augen erkannte ich, dass ich ihn verunsichert hatte. Gewiss war er ein wertvoller Bündnispartner für die Gencoys, doch nicht unersetzlich. Und sie, die streng logisch vorgingen, kannten nur den Nutzeffekt und keine Dankbarkeit.
Crozeiro fürchtete, dass ich die Wahrheit sprach und den Gencoys mehr als er nützen konnte. Umbringen durfte er mich nicht.
Auf seinen Wink hin erhielt Iquiri das Baby zurück. Sie presste Chicago an sich. In ihren Augen, die sie auch Crozeiro richtete, sah ich soviel Hass wie noch niemals zuvor bei einem Menschen.
Ich konnte Bedingungen stellen. Natürlich hatte ich niemals vor, mich zu den Gencoys zu schlagen und die Menschheit zu verraten.
Doch Crozeiro beurteilte mich nach sich selbst.
»Ich könnte Sie foltern lassen«, sagte er. »Oder Ihren Liebhaber der Operation unterziehen, die selbst den wildesten Stier in einen geduldigen Zugochsen verwandelt.«
»Wenn Sie sich das Gehirn absaugen lassen wollen, Crozeiro.« Ich nannte ihn nicht mehr Sir. »Es ist Ihr Risiko. Wagen Sie es nicht, einem von uns auch nur noch ein Haar zu krümmen. Sie schäbiger kleiner Mann, Sie Bündel Abschaum, Sie dreckiger Schurke! Vielleicht weiß ich etwas über die Mutanten. Vielleicht sogar sehr viel. Vielleicht kenne ich ihr Geheimnis. Doch darüber spreche ich nur mit Coleman oder einer noch höherrangigen Persönlichkeit der Gencoys. Mit Ihnen nicht, kleiner Mann.«
Ob man die Gencoys im menschlichen Sinn als Persönlichkeiten bezeichnen konnte, sei dahingestellt.
Die Söldner waren bereit, mich zu packen. Doch ich hatte genau im richtigen Ton zu Crozeiro gesprochen. Im Grund seines Wesens war dieser Despot und Unmensch feige. Das war vielleicht die menschlichste Eigenschaft, die er hatte. Gencoys und Androiden fürchteten sich nicht, die Auslöschung ihrer Existenz schreckte sie keinesfalls.
Schmerz kannten sie nicht. Crozeiro hingegen schon.
»Also gut.« Man hörte ihm den mühsam unterdrückten Grimm an. Seine Mundwinkel zuckten.
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