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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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meinem Gedächtnis zu löschen versucht. Ich sage: versucht. Wenn ich’s bloß könnte.
    Es gibt ein paar Momente, die werde ich nie vergessen.
    Ich bin ungefähr sechs, als er ordentlich abgefüllt reinkommt. Ich sehe mir Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann in der Glotze an. Steve Austin hat gerade einen Kerl gegen eine Ziegelwand krachen lassen. Ich bin ganz gebannt von der Zeitlupenaction, reagiere aber in Lichtgeschwindigkeit, als der mächtige Cannis Dury sich ankündigt – er soll ja nicht auf dumme Gedanken kommen.
    »Drei verfluchte Tore!«, schimpft er.
    Meine Mutter lächelt, erhebt sich schnell von ihrem Platz. Ich weiß, dass sie nicht den geringsten Schimmer hat, wovon er redet, haben wir doch beide den Nachmittag im Park verbracht.
    »Gut gemacht!«, sagt sie, drückt ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und streichelt ihm den Rücken.
    »Gut gemacht?« Der Geruch von Whisky füllt den Raum mit dem Anschwellen seiner Stimme. »Ist das alles? Gottverdammt gut gemacht? Ich hab gegen den Champion drei Tore geschossen, und du kommst mir mit dieser Scheiße? Sieh dich doch nur an! Hast du hier den ganzen Tag in deinen Schlappen herumgesessen, während ich mir den Arsch aufgerissen hab?«
    Sie weicht vor ihm zurück, aber es ist zu spät. Ein Schlag mit dem Handrücken schleudert sie quer über den Couchtisch. Ihr Kopf landet im Kamin, wobei die Glühbirnen hinter den Plastikkohlen kaputtgehen.
    »Steh auf!«, brüllt er. Er zieht seine Jacke aus, rollt die Hemdsärmel hoch. »Steh auf, du faule Schlampe!«
    Ich stehe völlig erstarrt da. Ich schließe die Augen. Sieht er mich noch, wenn ich das mache?
    »Steh auf!« Blinde Wut entlädt sich aus ihm. Seine Augen treten leuchtendrot hervor, so rot wie das Blut meiner Mutter auf dem weißen Shaggy-Teppich.
    Sie rappelt sich auf. Ich sehe, wie sie zu gehen versucht, doch sie schwankt und bricht auf der Couch zusammen.
    »Los, steh auf, du unnütze Schlampe!«, brüllt er sie an.
    Speichel spritzt aus seinem Mund, klatscht mir ins Gesicht. Ich schließe wieder die Augen, höre ihn aber immer noch brüllen und toben. Mir wird schlecht von seinem Whiskygestank. Ich rühre mich nicht, weiß aber, dass er mich gesehen hat.
    »Was glotzt du so blöd?«, faucht er.
    Mein Herzschlag beschleunigt sich. Eine Sekunde später renne ich. Schnell wie der Blitz bin ich an ihm vorbei und durch die Tür. Ich spüre den Luftzug seiner Hand hinter meinem Rücken, aber er hat mich nicht erwischt.
    »Komm sofort zurück, du kleiner Bastard!«
    »Cannis, nein! Lass den Kleinen in Ruhe«, fleht meine Mutter.
    »Schnauze!«
    Dann ein anderes Geräusch – eine harte Faust, die in das Gesicht meiner Mutter klatscht. Dann das Poltern, als sie am Boden aufschlägt.
    Ich renne in mein Zimmer und vergrabe meinen Kopf unter den Kissen meines Bettes. Sein Gebrüll kann ich aber immer noch hören.
    »Drei Tore«, sagt er jetzt. »Drei Tore … Drei Tore …«
    Ich bete, dass die Nominierungen für die schottische Nationalmannschaft bald erfolgen.

I ch traf mich mit Mac am »Big Foot«, einem Teil der berühmten Skulptur von Paolozzi an der Leith Street.
    »Hast du Hunger?«, fragte er mich.
    »Könnte ein Pferd verdrücken – und den Reiter zum Dessert!«
    »Aye, also, dann vergiss das nicht, denn es könnte sein, dass dir der Appetit vergeht, wenn du gehört hast, was ich dir zu sagen haben.«
    Wir überquerten den Picardy Place, vorbei am Sherlock-Holmes-Denkmal zum Walk. Dieser Teil der Stadt ist ihr schizoides Herz. Wo die Rugbyshirts und Tweedmützen der New Town den Scharen schäbiger harter Männer und ihrer Staffordshires weichen. In weniger als einer Minute erspähte ich drei Rowdys mit Kampfhunden. Als ob die Tiere einen Ausgleich darstellten für die unterernährte Statur, die schmalen Kleiderbügelschultern, das ganze Ein-Schlag-und-du-bist-tot-Gehabe. Dennoch, hier unten herrschte ein gnädiger Mangel an Ladenlokalen, die Shortbread und Schottenstoff verkauften.
    Während wir gingen, blieb Mac stumm. Mit den Schneidezähnen kaute er auf seiner Unterlippe herum.
    »Willst du mir vielleicht mal verraten, um was es hier geht?«
    »Danach.«
    »Wonach?«
    »Danach.«
    Ich nahm die Antwort als das, was sie war, schottisch für »Geh mir im Moment nicht auf die Eier«.
    Ich sah, dass Mac the Knife nervös war. Ich kannte die Anzeichen. Er hatte seinen Glasgower Gang drauf, die Brust gereckt, gleichauf mit seiner Wampe, dick wie ein Hüpfball.
    Was mich beunruhigte, war, dass er ständig

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