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Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Geopfert - [Gus Dury ; 1]

Titel: Geopfert - [Gus Dury ; 1] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nettes altes Tantchen vor, grundsolide in ihrer altmodischen Kittelschürze. »So geht es jetzt schon seit Tagen, da weiß ich wirklich nicht, wann ich eine Maschine Wäsche auf die Leine bekomme.«
    Ich lächelte. »Ach, vielleicht gewinnen Sie ja im Lotto und zwitschern ab auf die Bahamas.«
    »Das wär’ nicht schlecht.« Sie lachte. »Was kann ich Ihnen bringen, mein Lieber?«
    »Einen Kaffee, schwarz, bitte.«
    »Etwas zu essen?«
    »Nein, danke.«
    »Sind Sie sicher, mein Junge? Sie sehen aus, als könnten Sie eine anständige Mahlzeit vertragen. Ich hab schon mehr Fleisch am Bleistift eines Metzgers gesehen.«
    »Äh, nein. Ein Kaffee ist schon in Ordnung.«
    Sie warf mir einen missbilligenden Blick zu, nichts Böses, eher mütterlich. Es durchfuhr mich siedend heiß und erinnerte mich daran, dass ich auf diesem Gebiet noch einige Brücken zu bauen hatte.
    Der Kaffee kam schnell und raubte mir um ein Haar den Atem. Stark und heiß, genau wie ich ihn mochte, aber mir war nach etwas Hochprozentigerem. Unter dem Tisch packte ich meinen Flachmann aus, gab einen ordentlichen Schuss in die Verschlusskappe und kippte ihn in meinen Becher.
    Glückseligkeit.
    »Super Kaffee«, rief ich der Kellnerin zu.
    Sie lächelte, als sie zur nach hinten führenden Tür schlurfte, und die Club Kingsize in ihrem Mund drehte sich beim Sprechen wie ein Rotorblatt. »Ich mach auch tolle Brötchen mit aufgeschnittener Wurst, mein Junge, falls Sie Lust haben.«
    »Äh, nein. Für den Moment bin ich glücklich und zufrieden mit dem Kaffee, danke.«
    »Keine Ahnung, was Ihnen fehlt.«
    »Vielleicht ein weiterer Tag.«
    Ich breitete meine Post vor mir auf dem Tisch aus. Spürte wieder einen Stich – was war es, ein schlechtes Gewissen? Verlegenheit? Wahrscheinlich beides. Doch das machte schon sehr bald dem Bild des Briefträgers Platz, wie er mit all der Anmut und Grazie eines klapprigen Karussells in heilloser Flucht den Weg hinauftorkelte. Er wird schon drüber wegkommen, dachte ich. Und klar, jetzt hatte er die absolute Supergeschichte, die er den Jungs im Betriebshof erzählen konnte.
    Die Post sah aus wie das übliche, an niemanden adressierte Zeugs: Kreditangebote einer Bank, die Spendenaktion eines Wohlfahrtsunternehmens mit der verlockenden Prämie eines Gratis-Kulis, das aktuelle Angebot von Richard Bransons Virgin-Imperium. Und dann ein ziemlich offiziell aussehender, an mich persönlich adressierter Umschlag, auf dem Col in seiner sorgfältigen Handschrift die durchgestrichene Anschrift des Wall durch meine aktuelle ersetzt hatte. Ich riss ihn auf. Das dicke weiße Papier darin fühlte sich unter meinen Fingern ziemlich teuer an.
     
    Lieber Gus Dury
    Ein schlechter Anfang, ich bevorzuge die altmodische Art. Was ist nicht in Ordnung mit Lieber Gus oder Lieber Mr. Dury? Heutzutage scheinen wir das Rad noch mal neu erfinden zu wollen, was richtig Schickes aus der Welt zu machen. Ich las weiter. Eine Zeile stach besonders hervor:
     
    Unsere Mandantin Ms Deborah Ross strebt – im Anschluss an das kürzlich abgelaufene Trennungsjahr – die Einleitung eines förmlichen Scheidungsverfahrens an.
    Aha, dann benutzte sie also schon wieder ihren alten Namen.
    Sie fackelt nicht lange rum, dachte ich, während ich den Brief zu einem Papierball zusammenknüllte. Meine Faust zitterte, als ich die Kugel wegwarf. Meine Knöchel hoben sich weiß von der schwarzen Plastiktischplatte ab.

I ch ließ ein paar Scheine neben der Tasse liegen und schlüpfte durch die Tür hinaus. Meine Selbstachtung schlüpfte unter mir nach draußen. Ich fühlte mich weiter unten als der Bauch einer Schlange.
    The Arc, ein moderner Wohnblock, tat meinen Augen weh und erinnerte mich daran, wie sehr Edinburgh sich verändert hatte. Wenn die Stadt durch den Chrom-und-Glas-Albtraum der Planer geschlafwandelt war, dann war das jetzt der Weckruf. Die ultimative Verarsche eines Architekten in Lego-Steinen. Mit türkisgrüner Fassade.
    Eine lange Reihe wild geklebter Plakate säumte den ganzen Weg bis zum unteren Ende der Mile. Irgendeine Travestie-Nummer, dachte ich. Fünfzig Blicke aus dem Augenwinkel später reimte ich mir zusammen, dass es um eine Hommage an Bowie mit dem Titel Larry Stardust ging.
    »Man glaubt es nicht!«, sagte ich. Der Thin White Duke verdiente mehr Respekt.
    Ich schlenderte ziellos umher. Versuchte einen klaren Kopf zu bekommen, was sich jedoch als schwierig herausstellte. Bei mir war viel zu viel im Gange, was für einen Alkoholiker nie ein

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