Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
würde unsere Entfernung nicht bemerken. Ich glaube, daß wir wohl daran täten, wenn wir Ferrara verließen.
Maffio : Heute noch.
Jeppo : Meine Herren, dazu ist auch morgen Zeit. Ich bin zum Abendessen bei der Fürstin Negroni eingeladen, ich bin zum Tollwerden in sie verliebt und möchte nicht aussehen, als liefe ich vor den schönsten Damen von Ferrara fort.
Oloferno : Du bist zum Abendessen bei der Fürstin Negroni eingeladen?
Jeppo : Ja.
Oloferno : Und ich auch.
Ascanio : Und ich.
Apostolo : Und ich.
Maffio : Und ich.
Gubetta : Und ich, meine Herren!
Jeppo : Ach! Herr von Belverana. Nun, wir gehen alle hin, das gibt einen fröhlichen Abend. Guten Tag, Herr von Belverana.
Gubetta : Möge Gott Euch viele Jahre schenken, Herr Jeppo.
Maffio (leise zu Jeppo): Du wirst mich abermals sehr ängstlich finden. Wir gingen nicht zu diesem Essen, wenn du mir glaubtest. Der Palast Negroni stößt an den Palast Borgia, und ich setze kein großes Zutrauen in die freundschaftlichen Gesichter des Herrn Belverana.
Jeppo (leise): Du bist närrisch, Maffio. Die Negroni ist eine liebenswürdige Dame, ich sage dir, ich bin in sie verliebt, und Belverana ist ein braver Mann. Ich habe über ihn und seine Familie Erkundigungen eingezogen. Mein Vater war 1480 und so und so viel mit dem seinigen bei der Belagerung von Granada.
Maffio : Das beweist nicht, daß der Mann der Sohn des Vaters ist, welcher bei deinem Vater war.
Jeppo : Es zwingt dich Niemand, zu dem Gastmahl zu kommen, Maffio.
Maffio : Ich gehe, wie du hingehst, Jeppo.
Jeppo : Dann Te Deum laudamus. Und du, Gennaro, wirst du heute Abend nicht unter uns sein?
Ascanio : Hat dich die Negroni nicht eingeladen?
Gennaro : Nein. Der Fürstin bin ich wohl nicht adelig genug.
Maffio : lächelnd: Dann, mein Bruder, wirst du irgend ein verliebtes Stelldichein haben, nicht wahr?
Jeppo : Aha, erzähle uns doch ein wenig, was die Donna Lucretia jenen Abend sagte. Sie scheint ganz toll in dich vernarrt zu sein. Sie wird dir viel davon vorgeschwatzt haben. Die Ballfreiheit kam ihr sehr dabei zu Statten. Die Weiber verkleiden nur ihren Leib, um ihre Seele bequemer zu entkleiden. Maskierte Gesichter und nackte Herzen!
Lucretia befindet sich seit einigen Augenblicken auf dem Balkon, wo sie die Jalousie halb öffnet, sie horcht.
Maffio : Du mietest dich grade ihrem Balkon gegenüber ein, Gennaro! Gennaro!
Apostolo : Das ist nicht so ohne Gefahr, mein Junge, man sagt, dieser würdige Herzog von Ferrara sei sehr eifersüchtig auf seine Frau Donna.
Oloferno : Rasch, Gennaro! sage uns, wie weit du mit deiner Liebschaft mit der Lucretia bist.
Gennaro : Meine Herren! einige Degen werden in der Sonne blitzen, wenn Ihr fortfahrt, mir von diesem abscheulichen Weibe zu sprechen.
Lucretia : auf dem Balkon, bei Seite: Ach!
Maffio : Nichts als Scherz, Gennaro. Aber ich dächte, man dürfte mit dir von dieser Dame wohl sprechen; du trägst ihre Farbe.
Gennaro : Was soll das heißen?
Maffio : deutet auf seine Schärpe: Diese Schärpe?
Jeppo : Das sind in der Tat die Farben der Lucretia Borgia.
Gennaro : Fiametta hat mir sie geschickt.
Maffio : Das meinst du. Lucretia ließ dir das sagen. Aber Lucretia ist es, welche die Schärpe dir mit eignen Händen gestickt hat.
Gennaro : Bist du dessen gewiß, Maffio? Woher weißt du es?
Maffio : Von deinem Knecht, welcher dir die Schärpe gebracht und den sie bestochen hat.
Gennaro : Verdammt! Er reißt die Schärpe ab, zerreißt sie und tritt sie mit Füßen.
Lucretia (bei Seite): Ach! Sie schließt die Jalousie und entfernt sich.
Maffio : Und doch ist dies Weib schön.
Jeppo : Ja, aber es ist etwas Unheimliches in ihrer Schönheit.
Maffio : Sie ist ein Golddukaten mit dem Gepräge des Satans.
Gennaro : O! verflucht sei diese Lucretia Borgia! Dies Weib liebt mich, wie Ihr sagt! Nun, desto besser! das soll ihre Strafe sein. Sie macht mich schaudern! Ja, sie macht mich schaudern. Du weißt, Maffio, das ist immer so; es ist unmöglich, gleichgültig gegen ein Weib zu sein, von dem man geliebt wird. Man muß es lieben oder hassen. Wie sollte man diese da lieben? Es geschieht auch, daß man diese Art von Weibern um so mehr haßt, je mehr man von ihnen verfolgt wird. Dies Weib verfolgt mich, quält mich, belagert mich. Wodurch konnte ich die Liebe einer Lucretia Borgia verdienen? Ist das nicht Schande und Schmach? Ihr könnt kaum glauben, wie mir der Gedanke an dies verbrecherische Weib verhaßt ist seit der Nacht, wo Ihr mir so laut ihren
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