Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Willst du ihren Namen wissen, Gennaro?
Lucretia (schleppt sich zu den Knien Gennaros): Höre nicht, mein Gennaro!
Maffio (streckt die Arme aus): Das ist Lucretia Borgia.
Gennaro (stößt sie zurück): Oh!
Sie sinkt ohnmächtig zu seinen Füßen nieder.
Zweite Abteilung
Ein Platz zu Ferrara; zur Rechten ein Palast mit einer niedrigen Türe und mit einem Balkon, der mit Jalousien versehen ist. Unter dem Balkon ist ein großes Steinschild mit einem Wappen; der Name Borgia steht in großen erhabenen Lettern von goldenem Kupfer darunter. Zur Linken ein kleines Haus, dessen Türe auf den Platz geht. Im Hintergrund Häuser, Türme.
Erste Szene
Donna Lucretia, Gubetta
Lucretia : Ist Alles für diesen Abend bereit, Gubetta?
Gubetta : Ja, Donna.
Lucretia : Werden sie alle fünf dort sein?
Gubetta : Alle fünf.
Lucretia : Sie haben mich auf’s grausamste beleidigt, Gubetta.
Gubetta : Ich war nicht da, ich.
Lucretia : Sie waren ohne Erbarmen.
Gubetta : Sie haben Euch so ganz laut Euern Namen gesagt?
Lucretia : Sie haben mir ihn nicht gesagt, Gubetta, sie haben mir ihn ins Gesicht gespien.
Gubetta : Mitten auf dem Ball!
Lucretia : Vor Gennaro!
Gubetta : Das sind zuversichtliche Toren, Venedig zu verlassen und nach Ferrara zu kommen! Es ist wahr, sie konnten nicht anders, sie waren vom Senate beauftragt, Teil an der Gesandtschaft zu nehmen, welche die vorige Woche angekommen ist.
Lucretia : Oh! er haßt und verachtet mich jetzt, und das ist ihre Schuld. – Ha, Gubetta, ich werde mich rächen.
Gubetta : Zur guten Stunde! Das ist ein Wort! Gott sei gelobt, Eure Barmherzigkeitslaunen haben Euch also verlassen! Es ist mir viel behaglicher bei Eurer Hoheit, wenn sie so natürlich ist, wie eben. Ich finde mich wenigstens wieder darin. Seht, Donna, ein See ist das Gegenteil von einer Insel, ein Turm ist das Gegenteil von einer Brücke, und ich, ich habe die Ehre das Gegenteil von einer tugendhaften Person zu sein.
Lucretia : Gennaro ist bei ihnen. Gib Acht, dass ihm nichts zustößt.
Gubetta : Wenn Ihr ein gutes Weib würdet, und ich würde ein guter Mann, das wäre was Ungeheueres.
Lucretia : Gib Acht, daß Gennaro nichts zustößt, sage ich dir.
Gubetta : Seid ruhig.
Lucretia : Ich möchte ihn gleichwohl noch ein Mal sehen.
Gubetta : Bei Gott, Donna, Eure Hoheit sieht ihn alle Tage. Ihr habt seinen Knecht bestochen, damit er seinen Herrn bestimme, seine Wohnung da zu nehmen, in diesem Nest, Eurem Balkon gegenüber, und von Eurem Gitterfenster aus habt Ihr nun alle Tage das unaussprechliche Glück, den genannten Edelmann ein- und ausgehen zu sehen.
Lucretia : Ich sage dir, daß ich ihn sprechen will, Gubetta.
Gubetta : Nichts einfacher. Laßt ihm durch Astolfo sagen, daß Eure Hoheit ihn heute zu der und der Stunde im Palast erwartet.
Lucretia : Das will ich tun, Gubetta. (Aber) wird er kommen?
Gubetta : Tretet zurück, Donna, ich glaube, daß er sogleich mit den bewußten Vögeln hier vorbeikommen wird.
Lucretia : Halten sie dich immer für den Grafen Belverana?
Gubetta : Sie halten mich für einen Spanier vom Wirbel bis zur Sohle. Ich bin einer ihrer besten Freunde. Ich borge Geld bei ihnen.
Lucretia : Geld! Zu was?
Gubetta : Wahrhaftig, um es zu haben. Übrigens ist nichts spanischer, als wie ein Bettler auszusehen, und den Teufel beim Schwanz zu ziehen.
Lucretia (bei Seite): O mein Gott, schütze Gennaro!
Gubetta : Und darüber, Donna, kommt mir was ein.
Lucretia : Nun?
Gubetta : Daß dem Teufel der Schwanz sehr solid an das Kreuz geleimt, genagelt und geschraubt sein muß, weil er die unendliche Zahl von Leuten trägt, die beständig daran ziehen.
Lucretia : Du lachst über Alles, Gubetta.
Gubetta : Eine Art, so gut wie eine andre.
Lucretia : Ich glaube, da sind sie. Denke an Alles. Sie gebt durch die kleine Tür unter dem Balkon in den Palast zurück.
Gubetta (allein): Was ist das mit dem Gennaro? Und was zum Teufel hat sie mit ihm vor? Ich kenne nicht alle Geheimnisse der Donna, o noch lange nicht, aber dies da stachelt meine Neugierde. Meiner Treu, sie hat mir dies Mal nicht getraut, sie braucht sich nicht einzubilden, daß ich ihr bei der Sache behülflich sein werde, sie mag sich aus der Geschichte mit dem Gennaro ziehen, so gut sie kann. Aber was ein sonderbarer Einfall, einen Menschen zu lieben, wenn man die Tochter des Borgia und der Vanozza, wenn man ein Weib ist, in dessen Adern das Blut einer Hure und das Blut eines Papstes fließt. Donna Lucretia wird platonisch. Ich wundre
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