Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
Namen gesagt habt. Sonst sah ich Lucretia Borgia nur von fern, zwischen tausend Gegenständen durch, wie ein schreckliches Gespenst aufrecht über Italien, wie das Gespenst einer ganzen Welt. Jetzt ist dies Gespenst mein Gespenst; es setzt sich an mein Lager, es liebt mich, es will sich in mein Bett legen! Bei meiner Mutter, das ist entsetzlich! Ach, Maffio! sie hat den Herrn von Gravina getötet, sie hat deinen Bruder getötet! Ha! deinen Bruder! Dir will ich ihn ersetzen, an ihr will ich ihn rächen! – Hier ist also ihr abscheulicher Palast! Palast der Wollust, Palast des Verrats, Palast des Mordes, Palast des Ehebruchs, Palast der Blutschande, Palast jeglicher Sünde, Palast der Lucretia Borgia! Daß ich diesem Weibe das Henkerszeichen nicht auf die Stirn drücken kann! So will ich wenigstens die Stirne ihres Palastes brandmarken. Er steigt auf eine unter dem Balkon befindliche Steinbank, und macht mit seinem Dolche den ersten Buchstaben des auf die Mauer gehefteten Namens Borgia los, so dass nur das Wort: orgia bleibt.
Maffio : Was Teufel macht er?
Jeppo : Der Name der Donna Lucretia ohne diesen Buchstaben macht dich zu einem Manne ohne Kopf.
Gubetta : Herr Gennaro, das ist ein Wortspiel, was morgen die halbe Stadt auf die Folter bringt.
Gennaro : Ich werde mich stellen, wenn man den Schuldien sucht.
Gubetta (bei Seite): Das wäre mir recht, das würde Donna Lucretia in Verlegenheit bringen.
Seit einigen Augenblicken gehen zwei schwarz gekleidete Männer beobachtend auf dem Platze auf und ab.
Maffio : Meine Herren, das sind Leute mit verdächtigen Gesichtern, sie betrachten uns etwas neugierig. Es wäre klug, wenn wir uns trennten. Mache keine neuen Tollheiten, mein Bruder Gennaro.
Gennaro : Sei ruhig, Maffio. Deine Hand! Meine Herren, viel Vergnügen diese Nacht! Er geht in sein Haus, die Anderen zerstreuen sich.
Dritte Szene
Die beiden schwarz gekleideten Männer
Erster Mann : Was Teufel machst du da, Rustighello?
Zweiter Mann : Ich warte, bis du weggehst, Astolfo.
Erster Mann : In der Tat?
Zweiter Mann : Und du, was machst du da, Astolfo?
Erster Mann : Ich warte, bis du weggehst, Rustighello.
Zweiter Mann : Mit wem hast du es zu tun, Astolfo?
Erster Mann : Mit dem Manne, der eben da hineinging. Und du, an wen willst du?
Zweiter Mann : An den nämlichen.
Erster Mann : Teufel!
Zweiter Mann : Was willst du mit ihm machen?
Erster Mann : Ihn zur Herzogin führen. Und du?
Zweiter Mann : Ihn zum Herzog führen.
Erster Mann : Teufel!
Zweiter Mann : Was erwartet ihn bei der Herzogin?
Erster Mann : Die Liebe, ohne Zweifel. Und bei dem Herzog?
Zweiter Mann : Der Galgen, wahrscheinlich.
Erster Mann : Was tun? Er kann nicht zugleich bei dem Herzog und bei der Herzogin sein, zugleich Weiberarme und den Strick am Hals haben.
Zweiter Mann : Da ist ein Dukaten, spielen wir Münz oder Kopf, wer von uns den Mann haben soll.
Erster Mann : Das ist ein Wort.
Zweiter Mann : Meiner Treu! wenn ich verliere, so sage ich dem Herzog, der Vogel wäre ausgeflogen gewesen. Die Geschäfte des Herzogs kümmern mich wenig. Er wirft dm Dukaten in die Luft.
Erster Mann : Münze!
Zweiter Mann : ’S ist Kopf!
Erster Mann : Der Mann wird gehenkt werden. Nimm ihn. Adieu!
Zweiter Mann : Guten Abend.
Nachdem der Anden weggegangen ist, öffnet er die niedrige Türe unter dem Balkon, geht hinein und kommt einen Augenblick darauf in der Begleitung von vier Sbirren zurück, mit denen er an der Türe des Hauses pocht, in welches Gennaro gegangen.
Der Vorhang fällt.
Zweite Handlung
Das Paar
Donna Lucretia – Don Alphons von Este – Gennaro – Maffio – Rustighello – ein Türsteher
Erste Abteilung
Ein Saal des herzoglichen Palastes zu Ferrara. Tapeten von ungarischem Leder mit goldnen Arabesken. Prächtige Möbel in dem zu Ende des 15. Jahrhunderts in Italien herrschenden Geschmack. Der Stuhl des Herzogs mit rotem Samt überzogen, in welchen das Wappen des Hauses Este gestickt ist. Zur Seite ein mit dergleichen Samt bedeckter Tisch. Im Hintergrund eine große Türe. Zur Rechten eine kleine, zur Linken eine andere kleine verborgene Türe. Hinter der kleinen versteckten Türe sieht man in einem auf der Bühne angebrachten Cabinet den Anfang einer Wendeltreppe, die sich unter den Fußboden senkt und durch ein langes und schmales Gitterfenster erleuchtet wird.
Erste Szene
Don Alphons von Este, Rustighello
Rustighello : Herr Herzog, Eure Befehle sind vollzogen und ich erwarte die übrigen.
Alphons : Nimm
Weitere Kostenlose Bücher