Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
von Darmstadt erfahren. Seit einigen Tagen bin ich hier; ob ich hier bleiben werde, weiß ich nicht, das hängt von verschiedenen Umständen ab. Mein Manuscript wird unter der Hand seinen Kurs durchgemacht haben.
Meine Zukunft ist so problematisch, daß sie mich selbst zu interessieren anfängt, was viel heißen will. Zu dem subtilen Selbstmord durch Arbeit kann ich mich nicht leicht entschließen; ich hoffe, meine Faulheit wenigstens ein Vierteljahr lang fristen zu können, und nehme dann Handgeld entweder von den Jesuiten für den Dienst der Maria oder von den St. Simonisten für die femme libre, oder sterbe mit meiner Geliebten. Wir werden sehen. Vielleicht bin ich auch dabei, wenn noch einmal das Münster eine Jacobiner-Mütze aufsetzen sollte. Was sagen Sie dazu? Es ist nur mein Spaß. Aber Sie sollen noch erleben, zu was ein Deutschen nicht fähig ist, wenn er Hunger hat. Ich wollte, es ginge der ganzen Nation wie mir. Wenn es einmal ein Mißjahr gibt, worin nur der Hanf gerät! Das sollte lustig gehen, wir wollten schon eine Boa Constriktor zusammen flechten. Mein Danton ist vorläufig ein seidnes Schnürchen und meine Muse ein verkleideter Samson. (…)
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Von Karl Gutzkow
17. März 1835
Aus Frankfurt am Main nach Straßburg
Lieber, ich habe vor länger als 8 Tagen, beinahe 14 Tagen schon 10 fr. an die Darmstädter Adresse gesandt und von Ihrem Vater darauf die Anzeige erhalten, Sie wären nach Friedberg und das Geld würde Ihnen eingehändigt werden. Ihr Vater schien von der Herkunft dieses Geldes nichts zu wissen.
Werden Sie in Straßburg bleiben? Ich halte es für ratsam, da Sie wie Enghien wohl keine Aushebung durch Dragoner zu fürchten haben, Sie sollten meine Ermunterung, in der Teilnahme an deutscher Literatur fortzufahren, nicht in den französischen Wind schlagen. Was Sie leisten können, zeigt Ihr Danton, den ich heute zu säubern angefangen habe, und der des Vortrefflichsten soviel enthält. Glauben Sie denn, daß sich irgend Etwas Positives für Deutschlands Politik tun läßt? Ich glaube, Sie taugen zu mehr, als zu einer Erbse, welche die offne Wunde der deutschen Revolution in der Eiterung hält. Treiben Sie wie ich den Schmuggelhandel der Freiheit: Wein verhüllt in Novellenstroh, nichts in seinem natürlichen Gewande: ich glaube, man nützt so mehr, als wenn man blind in Gewehre läuft, die keineswegs blindgeladen sind. Wär’ es nicht, so hätt’ ich mich in der Rechnung meines Lebens betrogen und müßte dann selbst meinen Untergang beschleunigen.
Noch drückt Sie Mangel. Hoffentlich haben Sie jetzt das, was Sie zehnmal verdient haben. Das beste Mittel der Existenz bleibt die Autorschaft, d. h. nicht die geächtete, sondern die noch etwas geachtete, wenigstens honorierte bei den Philistern, welche das Geld haben. Spekulieren Sie auf Ideen, Poesie, was Ihnen der Genius bringt. Ich will Kanal sein, oder Trödler, der Ihnen klingend antwortet. Bessern Rat weiß ich nicht, und ich möchte Ihnen doch welchen geben, und recht altklug Ihnen zurufen: gehen Sie in sich, werden Sie praktisch, und regeln Sie Ihr Leben. Aber ich tu’ es zagend, denn unsre Zeit hat eine besondre Art Scham erfunden, nämlich die, nicht unglücklich zu sein. Vergessen Sie nicht, von sich hören zu lassen.
Ihr G.
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An die Familie
27. März 1835
Aus Straßburg nach Darmstadt
(…) Ich fürchte sehr, daß das Resultat der Untersuchung den Schritt, welchen ich getan, hinlänglich rechtfertigen wird; es sind wieder Verhaftungen erfolgt, und man erwartet nächstens deren noch mehr. Minnigerode ist in flagranti crimine ertappt worden; man betrachtet ihn als den Weg, der zur Entdeckung aller bisherigen revolutionären Umtriebe führen soll, man sucht ihm um jeden Preis sein Geheimnis zu entreißen; wie sollte seine schwache Konstitution der langsamen Folter, auf die man ihn spannt, widerstehen können?… Ist in den deutschen Zeitungen die Hinrichtung des Lieutenant Kosseritz auf dem Hohenasperg in Würtemberg bekannt gemacht worden? Er war Mitwisser um das Frankfurter Komplott, und wurde vor einiger Zeit erschossen. Der Buchhändler Frankh aus Stuttgart ist mit noch mehreren Anderen aus der nämlichen Ursache zum Tode verurteilt worden, und man glaubt, daß das Urteil vollstreckt wird. (…)
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An Karl Gutzkow
Nach dem 19. März 1835
Aus Straßburg nach Frankfurt am Main
(…) Die ganze Revolution hat sich schon in Liberale und Absolutisten geteilt und muß von der ungebildeten und armen Klasse
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