Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)
1835
Aus Darmstadt nach Frankfurt am Main
Mein Herr!
Vielleicht hat es Ihnen die Beobachtung, vielleicht, im unglücklicheren Fall, die eigne Erfahrung schon gesagt, daß es einen Grad von Elend gibt, welcher jede Rücksicht vergessen und jedes Gefühl verstummen macht. Es gibt zwar Leute, welche behaupten, man solle sich in einem solchen Falle lieber zur Welt hinaushungern, aber ich könnte die Widerlegung in einem seit Kurzem erblindeten Hauptmann von der Gasse aufgreifen, welcher erklärt, er würde sich totschießen, wenn er nicht gezwungen sei, seiner Familie durch sein Leben seine Besoldung zu erhalten. Das ist entsetzlich. Sie werden wohl einsehen, daß es ähnliche Verhältnisse geben kann, die Einen verhindern, seinen Leib zum Notanker zu machen, um ihn von dem Wrack dieser Welt in das Wasser zu werfen und werden sich also nicht wundern, wie ich Ihre Türe aufreiße, in Ihr Zimmer trete, Ihnen ein Manuscript auf die Brust setze und ein Allmosen abfordere. Ich bitte Sie nämlich, das Manuscript so schnell als möglich zu durchlesen, es, im Fall Ihnen Ihr Gewissen als Kritiker dies erlauben sollte , dem Herrn Sauerländer zu empfehlen, und sogleich zu antworten.
Über das Werk selbst kann ich Ihnen nichts weiter sagen, als daß unglückliche Verhältnisse mich zwangen, es in höchstens fünf Wochen zu schreiben. Ich sage dies, um Ihr Urteil über den Verfasser, nicht über das Drama an und für sich, zu motivieren. Was ich daraus machen soll, weiß ich selbst nicht, nur das weiß ich, daß ich alle Ursache habe, der Geschichte gegenüber rot zu werden; doch tröste ich mich mit dem Gedanken, daß, Shakespeare ausgenommen, alle Dichter vor ihr und der Natur wie Schulknaben dastehen.
Ich wiederhole meine Bitte um schnelle Antwort; im Falle eines günstigen Erfolgs können einige Zeilen von Ihrer Hand, wenn sie noch vor nächstem Mittwoch hier eintreffen, einen Unglücklichen vor einer sehr traurigen Lage bewahren.
Sollte Sie vielleicht der Ton dieses Briefes befremden, so bedenken Sie, daß es mir leichter fällt, in Lumpen zu betteln, als im Frack eine Supplik zu überreichen und fast leichter, die Pistole in der Hand: la bourse ou la vie! zu sagen, als mit bebenden Lippen ein: Gott lohn’ es! zu flüstern.
G. Büchner.
39
Von Karl Gutzkow
25. Februar 1835
Aus Frankfurt am Main nach Darmstadt
Verehrtester Herr!
In aller Eile einige Worte! Ihr Drama gefällt mir sehr, und ich werde es Sauerl. empfehlen: nur sind theatralische Sachen für Verleger keine lockende Artikel. Deshalb müßten Sie bescheidene Honorarforderungen machen.
Wenn diese vorläufige Anzeige dazu dienen könnte, Ihren Mut wieder etwas aufzurichten, so würd’ es mich freuen. In einigen Tagen mehr!
Ihr ergebenster K. Gutzkow
40
Von Karl Gutzkow
28. Februar 1835
Aus Frankfurt am Main nach Darmstadt
Verehrtester;
Sie hätten mir schreiben sollen, was Ihre Forderung in betreff Danton’s ist. Viel, (am wenigsten aber das, was Ihre Dichtung wert ist,) kann Sauerländer nicht geben. Es ist für ihn ein harter Entschluß, das Mscr zu drucken; denn wie günstig die Kritik urteilen mag, so ist doch mit dem Absatz dramatischer Sachen bei dem gegenwärtigen Publikum die größte Not. Kaum, daß sich das Papier herausschlägt. Ich weiß das. Das sind keine Redensarten.
Rechnen Sie das Notdürftigste, was Sie im Augenblick brauchen, zusammen, resignieren Sie auf jede glänzende Erwartung und suchen Sie sich durch weitre Arbeiten etwa für den Phönix, zu dem ich Sie einlade, sich einige wiederkehrende Einkünfte zu verschaffen.
Ihrer Angabe seh’ ich also demnächst entgegen.
Ihr ergebenster K. Gutzkow
41
Von Karl Gutzkow
3. März 1835
Aus Frankfurt am Main nach Darmstadt
Verehrtester!
10 Friedrichsd’or will Ihnen Sauerländer geben unter der Bedingung, daß er mehres aus dem Drama für den Phönix benutzen darf, und daß Sie sich bereitwillig finden lassen, die Quecksilberblumen Ihrer Phantasie, und Alles, was zu offenbar in die Frankfurter Brunnengasse und die Berlinische Königsmauer ablenkt, halb und halb zu kastrieren. Mir freilich ist das so ganz recht, wie Sie es gegeben haben; aber Sauerl. ist ein Familienvater, der 7 rechtmäßige Kinder im Ehebett gezeugt hat, und dem ich schon mit meinen Zweideutigkeiten ein Alp bin: wieviel mehr Sie mit Ihren ganz grellen und nur auf Eines bezüglichen Eindeutigkeiten! Also dies ist sehr notwendig.
Nun scheint es aber, als hätten Sie große Eile. Wo wollen Sie hin? brennt es
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