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Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)

Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition)

Titel: Georg Büchner - Gesammelte Werke: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck, Lucretia Borgia, Maria Tudor (Gesammelte Werke bei Null Papier) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Büchner
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drauf? Wie, Marie, du bist schön wie die Sünde – kann die Totsünde so schön sein?
    Marie : Franz, du redest im Fieber!
    Woyzeck : Teufel! – Hat er da gestanden? So? So?
    Marie : Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, können viele Menschen an einem Platz stehen, einer nach dem andern.
    Woyzeck : Ich hab ihn gesehn!
    Marie : Man kann viel sehn, wenn man zwei Auge hat und nicht blind is und die Sonn scheint.
    Woyzeck : Mensch! – Geht auf sie los.
    Marie : Rühr mich an, Franz! Ich hätt’ lieber ein Messer in den Leib als deine Hand auf meiner. Mein Vater hat mich nit anzugreifen gewagt, wie ich zehn Jahre alt war, wenn ich ihn ansah.
    Woyzeck : Weib! – Nein, es müßte was an dir sein! Jeder Mensch ist ein Abgrund; es schwindelt einem, wenn man hinabsieht. – Es wäre! Sie geht wie die Unschuld. Nun, Unschuld, du hast ein Zeichen an dir. Weiß ich’s? Weiß ich’s? Wer weiß es? – Er geht.

Die Wachstube.
    Woyzeck. Andres.
    Andres (singt:)
    Frau Wirtin hat ne brave Magd,
sie sitzt im Garten Tag und Nacht,
sie sitzt in ihrem Garten…
    Woyzeck : Andres!
    Andres : Nu?
    Woyzeck : Schön Wetter.
    Andres : Sonntagswetter – Musik vor der Stadt. Vorhin – sind die Weibsbilder hinaus; die Mensche dampfe, das geht!
    Woyzeck unruhig: Tanz, Andres, sie tanze!
    Andres : Im Rössel und in Sternen.
    Woyzeck : Tanz, Tanz!
    Andres : Meinetwege.
Sitzt in ihrem Garten,
bis dass das Glöcklein zwölfe schlägt,
und paßt auf die Solda-aten.
    Woyzeck : Andres, ich hab’ kei Ruh.
    Andres : Narr!
    Woyzeck : Ich muß hinaus. Es dreht sich mir vor den Augen. Tanz, Tanz! Wird sie heiße Händ habe! Verdammt, Andres!
    Andres : Was willst du?
    Woyzeck : Ich muß fort, muß sehen.
    Andres : Du Unfried! Wegen dem Mensch?
    Woyzeck : Ich muß hinaus, ’s is so heiß dahie.
    Wirtshaus
    Die Fenster offen, Tanz. Bänke vor dem Haus. Bursche.
    Erster Handwerksbursch :
    Ich hab’ ein Hemdlein an, das ist nicht mein;
meine Seele stinkt nach Branndewein –
    Zweiter Handwerksbursch : Bruder, soll ich dir aus Freundschaft ein Loch in die Natur machen? Vorwärts! Ich will ein Loch in die Natur maehen! Ich bin auch ein Kerl, du weißt – ich will ihm alle Flöh am Leib totschlagen.
    Erster Handwerksbursch : Meine Seele, meine Seele stinkt nch Branndewein! – Selbst das Geld geht in Verwesung über! Vergißmeinnicht, wie ist diese Welt so schön! Bruder, ich muß ein Regenfaß voll greinen vor Wehmut. Ich wollt’, unsre Nasen wären zwei Bouteillen, und wir könnten sie uns einander in den Hals gießen.
    Andre im Chor:
    Ein Jäger aus der Pfalz
ritt einst durch einen grünen Wald.
Halli, hallo, ha lustig ist die Jägerei
allhier auf grüner Heid.
Das Jagen is mei Freud.
    Woyzeck stellt sich ans Fenster. Marie und der Tambourmajor tanzen vorbei, ohne ihm zu bemerken.
    Woyzeck : Er! Sie! Teufel!
    Marie im Vorbeitanzen: Immer zu, imer zu –
    Woyzeck erstickt: Immer zu – immer zu! – Fährt heftig auf und sinkt zurück auf die Bank: Immer zu, immer zu! – Schlägt die Hände ineinander: Dreht euch. wälzt euch! Warum bläst Gott nicht die Sonn aus, daß alles in Unzucht sich übereinanderwälzt, Mann und Weib, Mensch und Vieh?! Tut’s am hellen Tag, tut’s einem auf den Händen wie die Mücken! – Weib! Das Weib is heiß, heiß! – Immer zu, immer zu! – Fährt auf: Der Kerl, wie er an ihr herum greift, an ihrem Leib! Er, er hat sie – wie ich zu Anfang. – Er sinkt betäubt zusammen.
    Erster Handwerksbursch predigt auf dem Tisch: Jedoch, wenn ein Wandrer, der gelehnt steht an dem Strom der Zeit oder aber sich die göttliche Weisheit beantwortet und sich anredet: Warum ist der Mensch? Warum ist der Mensch? – Aber wahrlich, ich sage euch: Von was hätte der Landmann, der Weißbinder, der Schuster, der Arzt leben sollen, wenn Gott den Menschen nicht geschaffen hätte? Von was hätte der Schneider leben sollen, wenn er dem Menschen nicht die Empfindung der Scham eingepflanzt hätte, von was der Soldat, wenn er ihm nicht mit dem Bedürfnis sich totzuschlagen ausgerüstet hätte? Darum zweifelt nicht – ja, ja, es ist lieblich und fein, aber alles Irdische ist übel, selbst das Geld geht in Verwesung über. Zum Beschluß, meine geliebten Zuhörer, laßt uns noch übers Kreuz pissen, damit ein Jud stirbt!
    Unter allgemeinem Gejohle erwacht Woyzech und rast davon.

Freies Feld
    Woyzeck : Immer zu! Immner zu! Hisch, hasch! So gehn die Geigen und die Pfeifen. – Immer zul Immer zu! – Still, Musik! Was spricht da unten? –

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