George Clooney, Tante Renate und ich (German Edition)
später kam ich zwar ohne Mann, aber mit reicher Yes-Torty-Beute wieder bei unserer Haustür an und traf dort auf Frau Prokopetz, Frau Wolf und Herbertchen. Bei Frau Prokopetz, die unten bei uns im Haus einen kleinen Laden führte, bekam man neben Zeitschriften, Zeitungen, Rauchwaren und Fahrkarten sämtliche Neuigkeiten. Sowohl die aus ihren Zeitschriften als auch die aus der umliegenden Nachbarschaft.
«Na, Eva, warste schön shoppen?», fragte sie und schielte neugierig in meine Plastiktüte. «Oh, was lecker Süßes!»
«Ist für eine Übersetzung», sagte ich, aber die Prokopetz zwinkerte ihrer Freundin zu.
«Jaja, für die Arbeit. Haben wir auch immer gesagt, was, Ilse!», und dann mit ernstem Ton zu mir: «Pass aber auf mit dem Zeugs. In deinem Alter kann man sich nicht mehr alles erlauben. Schau dir bloß mal die Kirstie Alley an, die von Fackeln im Sturm , weißt du? Die ist auch wieder so was von fett geworden, furchtbar! Ich sach ja immer, eine Frau sollte sich nicht so gehenlassen!»
Frau Wolf, Konfektionsgröße 48, nickte bestätigend. «Ich warne Herbertchen auch immer», sagte sie und zog den fetten Pudel auf die Seite. «Aber er hört nicht. Und jetzt hat er diesen Huddel mit der Hüfte.» Herbertchen kläffte mich an, als wäre ich an seinem Elend schuld.
«Aber immer noch besser als Ehts!», rief Frau Prokopetz, während sie sich aufgeregt durch die grauen Locken fuhr. «Also, ob du es glaubst oder nicht, Ilse, aber der Dings, du weißt, wen ich meine, der …»
Ich ließ die Damen mit dem Aidsdrama alleine, leerte unseren Briefkasten und ging mit einem dicken Stapel WG-Post in der Hand die Treppen hoch. «Für Antonia, Eva, Werbung, Oliver, Oliver, Werbung, Antoni-aaaah!» Mit offenem Mund starrte ich den Mann an, der mich an den Schultern hielt.
«Ein Glück, dass ich keine Straßenbahn bin», sagte eine tiefe, samtweiche Stimme. «Sie wären fast in mich hineingerannt.»
Ich traute meinen Augen nicht. George Clooney? Hier im Treppenhaus?
«Sie sollten etwas aufmerksamer durchs Leben gehen, schöne Frau.» Er lächelte und ließ mich dann bedauerlicherweise los.
Unzusammenhängendes Gestammel kam aus meinem Mund. Wo war ich? Leider nicht in Hollywood, sondern im ersten Stock, vor der Praxis von Herrn Cantak Mhia, Experte für «Tantra-Transformation». George Clooney rief «Bis Mittwochabend!» hinein, bevor er die Praxistür hinter sich schloss, lächelte mich ein letztes Mal infarktauslösend an und ging die Treppe hinunter.
Ich stolperte auf Puddingknien zu unserer Wohnung hoch, schloss mit zittrigen Fingern auf und kam erst in der Küche langsam wieder zu mir.
Aufmerksamer durchs Leben gehen … wie soll das nach einer so aufwühlenden Begegnung funktionieren? Konnte man da nicht froh sein, dass man nicht vor Wollust explodiert war?
Da beide Freundinnen ausgeflogen waren und ich mit diesem Problem alleine dasaß, schaute ich erst mal in den Spiegel. Schöne Frau hatte er mich genannt. Wie sah ich heute überhaupt aus?
Bis auf meine Augen, die etwas plüschiger wirkten als sonst, war alles wie immer: eine Vierunddreißigjährige mit dunklen Augen, dunklen Haaren und Konfektionsgröße 38–40. Mir fielen Bettinas Worte zu meinem Outfit wieder ein. Sie hatte recht: Meine Klamotten waren durchweg vom Label «Bequem und Locker». Sollte ich auch das schleunigst ändern?
Statt weiter nachzudenken, rannte ich in die Abstellkammer und wühlte das Altpapier durch. Verdammt, letzte Woche hatten wir das neue Monatsprogramm von diesem Cantak Mhia im Briefkasten gehabt, oder? Ja, da lag es, ganz unten. Schnell schlug ich das Heftchen auf und sah nach, was Mittwochabend im ersten Stock geboten wurde. «Atmen mit Leib und Seele – Kraftentfaltung für die Lunge» mit Yogi Sri Singh.
Gott sei Dank nichts mit Tantra-Sex, denn bereits bei dem Gedanken, mit George eine Stunde lang im selben Raum zu atmen, blieb mir die Luft weg.
Meine Phantasie driftete dennoch in Richtung Tantra-Sex ab. «Ruhig Blut, Eva», sagte ich mir. «Die Frage der Stunde lautet: Atmen mit George oder ohne ihn?»
Ich steckte mir das Programmheft in die Hosentasche und ging in mein Arbeitszimmer. Hundertachtzig Euro für ein Rendezvous … Na ja, laut Programm waren es immerhin acht Rendezvous. Machte zweiundzwanzig fünfzig pro Wiedersehen. Eigentlich gar nicht so teuer. Und wann war mir schon mal so was Knuspriges über den Weg gelaufen?
Egal, bis Mittwoch konnte ich mir das ja noch mal in Ruhe überlegen. Und
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