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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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wahrscheinlich ihrem Metier entsprechend. Sie ging zu der Tür mit
dem Perlenvorhang und drückte auf einen Lichtschalter. Das Licht brachte den
Zustand des kleinen Raums unerbittlich zum Vorschein: Staub auf den Möbeln,
Staubmäuse in den Ecken, Vasen mit abgeschlagenen Kanten und Nippes vom Trödel.
Yolanda ging in dem engen Raum auf und ab. Lynley wartete, spürte jedoch, dass
ihm allmählich der Geduldsfaden riss.
    Endlich sagte sie: »Sie
kommen, um sich einen Rat zu holen. Ich versuche, keinen direkten Rat zu geben.
So funktioniert das nicht. Aber in ihrem Fall habe ich mehr gespürt, und ich
musste wissen, was das war, um mit ihr arbeiten zu können. Sie besaß
Informationen, die mir geholfen hätten. Aber sie wollte einfach nicht damit
herausrücken.«
    »Informationen über wen? Über
was?«
    »Was weiß ich? Sie wollte es
mir nicht sagen. Aber sie hat mich gefragt, wo sie sich mit jemandem treffen
könnte, um über Dinge zu reden, die sie sich auszusprechen fürchtete.«
    »Ging es um einen Mann?«
    »Das wollte sie mir auch nicht
sagen. Ich habe ihr geraten, was jeder ihr geraten hätte: Sie solle sich mit
der Person an einem öffentlichen Ort treffen.«
    »Haben Sie ihr...«
    »Nein, den Friedhof habe ich
ihr nicht vorgeschlagen.« Sie blieb stehen. Sie sah ihn über den Tisch hinweg
an, als brauchte sie die Entfernung zu ihrer eigenen Sicherheit. »Warum hätte
ich ihr ausgerechnet den Friedhof als Treffpunkt vorschlagen sollen?«
    »Ich nehme an, Sie haben ihr
auch nicht gerade das Starbucks-Cafe bei ihr um die Ecke vorgeschlagen«,
erwiderte Lynley.
    »Ich habe ihr gesagt, sie soll
einen friedlichen Ort wählen, wo sie den Frieden spüren könnte. Ich weiß nicht,
warum sie sich für den Friedhof entschieden hat. Ich weiß noch nicht einmal,
woher sie ihn überhaupt kannte.« Sie begann wieder, auf und ab zu gehen. Einmal
um den Tisch, zweimal. Dann sagte sie: »Ich hätte ihr etwas anderes raten
sollen. Ich hätte es sehen müssen. Oder spüren. Aber ich habe keine Gefahr
gesehen, und daher habe ich ihr auch nicht abgeraten.« Sie drehte sich zu
Lynley um. »Wissen Sie, was es bedeutet, dass ich keine Gefahr gesehen habe,
Mr. Lynley? Können Sie sich vorstellen, in welche Situation mich das bringt?
Ich habe nie zuvor daran gezweifelt, dass ich die Gabe besitze. Aber jetzt tue
ich es. Ich kann Wahrheit und Lüge nicht mehr unterscheiden. Ich kann die Lügen
nicht mehr sehen. Und wenn
ich Jemima nicht vor der Gefahr beschützen konnte, dann kann ich niemanden
davor beschützen.«
    Sie klang so verzweifelt, dass
Lynley zu seiner eigenen Überraschung Mitleid für sie empfand, obwohl er nicht
an übersinnliche Phänomene glaubte. Dass Yolanda von Beschützen gesprochen
hatte, erinnerte ihn jedoch an den Stein, den Jemima bei sich gehabt hatte.
Konnte es sich um einen Talisman handeln? Um einen Glücksbringer?
    »Haben Sie denn versucht, sie
zu beschützen?«, fragte er.
    »Selbstverständlich.«
    »Haben Sie ihr irgendetwas
mitgegeben, das sie bei dem Treffen, das sie plante, beschützen sollte?«
    Nein, hatte sie nicht. Sie
hatte Jemima Hastings mit guten Ratschlägen zu schützen versucht - unverständliches
Zeug gemurmelt, dachte Lynley -, aber es hatte nichts genützt.
    Zumindest wussten sie jetzt,
was Jemima auf dem Abney Park Cemetery gewollt hatte. Was aber Yolanda an dem
Tag in die Oxford Road geführt hatte - diesbezüglich hatten sie nichts als ihre
eigene Aussage. Lynley sprach sie noch einmal darauf an. Und er fragte sie, was
sie zur Zeit des Mordes an Jemima getan hatte.
    Auf letztere Frage antwortete
sie, sie habe getan, was sie immer tue: Sie habe Klienten beraten. Sie könne
ihm ihren Terminkalender zeigen. Wenn er ihre Klienten anrufen wolle, um sich
ihre Aussage bestätigen zu lassen, habe sie nichts dagegen. Was ihren Besuch in
der Oxford Road angehe, so habe sie auch das bereits erklärt: Sie habe
versucht, das Haus zu reinigen, um zu verhindern, dass noch jemand eines
unerwarteten Todes starb. »McHaggis, Frazer oder der Italiener«, sagte sie.
    Ob Yolanda die alle kenne,
wollte Lynley wissen.
    Teils vom Sehen, sagte sie.
Mit McHaggis und Frazer habe sie ein paar Mal gesprochen. Mit dem Italiener
nicht.
    Ob sie Gelegenheit gehabt
habe, eine von den Mülltonnen in McHaggis' Vorgarten zu öffnen, fragte Lynley.
    Sie sah ihn an, als hätte er
den Verstand verloren. Warum zum Teufel sie diese Tonnen öffnen solle, fragte
sie. Nicht die Tonnen müssten gereinigt werden, sondern das

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