George, Elizabeth
besonders verabscheute. Aber
sie würde schon mit ihm fertigwerden. Er nannte sie Ma'am. Sie entgegnete, Chefin würde reichen. Er ließ sich
betont viel Zeit damit, sich umzustellen. Sie habe nicht vor, ihm Probleme zu
machen, sagte sie. Ob er seinerseits vorhabe, ihr Probleme zu machen? Nein,
keineswegs, Chefin, erwiderte
er, aber sie wusste, dass er nicht aufrichtig war.
Als Nächsten empfing sie DS Winston Nkata. Der Mann war
ihr ein Rätsel. Sehr groß, sehr schwarz, das Gesicht vernarbt von einer
Messerstecherei in seiner Jugend, der typische Abkömmling von Einwanderern von
den Westindischen Inseln, der im Süden Londons aufgewachsen war. Harte äußere
Schale, aber irgendetwas in seinen Augen verriet ihr, dass der Mann ein weiches
Herz besaß, das darauf wartete, angesprochen zu werden. Sie fragte ihn nicht
nach seinem Alter, schätzte ihn jedoch auf etwa Mitte zwanzig. Er war einer von
zwei Brüdern, die gegensätzlicher kaum sein konnten: Sein älterer Bruder saß
wegen Mordes im Gefängnis. Diese Tatsache, sagte sie sich, machte den DS zu einem hoch motivierten
Polizisten, der etwas zu beweisen hatte. Das gefiel ihr.
Was sie nicht von DS Barbara Havers behaupten
konnte, die sie als Letzte aufsuchte. Die Frau kam missmutig ins Zimmer
gelatscht - anders konnte man es weiß Gott nicht ausdrücken - und stank nach
Zigarettenrauch. Isabelle wusste, dass Havers bis zum Tod seiner Frau mehrere
Jahre lang DI Lynleys
Partnerin gewesen war. Sie waren sich schon einmal begegnet, und sie fragte
sich, ob Havers sich noch daran erinnerte.
Das tat sie. »Der
Fleming-Mord«, lauteten Havers' erste Worte, nachdem sie allein waren. »Draußen
in Kent. Sie haben die Ermittlungen geleitet.«
»Sie haben ein gutes
Gedächtnis, Sergeant«, erwiderte Isabelle. »Darf ich fragen, was mit Ihren
Zähnen passiert ist? Ich kann mich nicht erinnern, sie in diesem Zustand
gesehen zu haben.«
Havers zuckte die Achseln.
»Kann ich mich setzen?«
»Bitte sehr.«
Sie hatte die Gespräche nach
Hillier-Art geführt - allerdings stand sie dabei nicht hinter ihrem
Schreibtisch, sondern saß in ihrem Sessel -, aber jetzt erhob sie sich, ging zu
einem kleinen Konferenztisch und bedeutete Havers, ihr dorthin zu folgen. Sie
wollte sich nicht mit Sergeant Havers verbünden, war sich jedoch darüber im
Klaren, dass sie mit ihr eine andere Beziehung würde aufbauen müssen als mit
den restlichen Teammitgliedern. Dies hatte allerdings mehr damit zu tun, dass
sie Lynleys Partnerin gewesen war, als damit, dass sie beide Frauen waren.
»Ihre Zähne?«, nahm Isabelle
den Faden wieder auf.
»Bin in 'ne Art
Auseinandersetzung geraten«, erwiderte Havers.
»Ach? Sie sehen gar nicht aus
wie jemand, der sich auf Schlägereien einlässt«, bemerkte Isabelle. Das
stimmte zwar, aber es stimmte auch, dass Havers absolut so wirkte wie jemand,
der sich verteidigen würde, wenn es darauf ankam, was offenbar dazu geführt
hatte, dass ihre Schneidezähne sich in dem jetzigen Zustand befanden, nämlich
abgebrochen.
»Dem Typ gefiel's nicht, dass
ich ihn daran gehindert hab, ein Kind zu entführen«, sagte Havers. »Es gab 'ne
Rangelei, ein paar Fausthiebe, ein paar Fußtritte, und ich bin mit dem Gesicht auf
den Boden geschlagen. Und der war aus Stein.«
»Ist das im vergangenen Jahr
passiert? Während Sie im Dienst waren? Warum haben Sie Ihre Zähne nicht richten
lassen? Die Met wird sich doch nicht geweigert haben, die Kosten der Behandlung
zu übernehmen?«
»Ich find, sie geben meinem
Gesicht Charakter.«
»Aha. Woraus ich schließe,
dass Sie etwas gegen moderne Zahnbehandlung haben. Oder haben Sie Angst vorm
Zahnarzt, Sergeant?«
Havers schüttelte den Kopf.
»Ich will mich nicht in eine Schönheit verwandeln. War mir zu anstrengend, all die
Scharen von Bewunderern abzuwehren. Außerdem ist die Welt voll von Leuten mit
perfekten Gebissen. Ich heb mich gern ab.«
»Tatsächlich?« Isabelle
entschloss sich, Havers gegenüber etwas direkter zu werden. »Das erklärt dann
wohl auch Ihre Kleidung. Hat Sie noch nie jemand darauf angesprochen,
Sergeant?«
Havers veränderte ihre
Sitzposition. Sie schlug die Beine übereinander, woraufhin - Gott bewahre!, dachte Isabelle - ein
knöchelhoher roter Turnschuh und einige Zentimeter eines lilafarbenen Strumpfs
zum Vorschein kamen. Trotz der unerträglichen Sommerhitze hatte Havers diese
modische Farbzusammenstellung durch eine olivgrüne Cordhose und einen braunen
Pullover ergänzt. Letzterer war von Fusseln
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