George, Elizabeth
fragte sie.
»Ab wann, was?«
»Ab wann soll ich mir all
Ihre... Vorschläge zu Herzen nehmen?«
»Ab gestern. Aber so genau
wollen wir es nicht nehmen.«
»Ab sofort, meinen Sie also?«
Isabelle lächelte. »Ich sehe,
dass Sie in der Lage sind, meine Worte richtig zu deuten. Und jetzt...« Sie kam
zum eigentlichen Thema, dem Grund, warum sie Havers an den Konferenztisch
gebeten hatte. »Erzählen Sie mal. Was hören Sie denn so von Inspector Lynley?«
»Nicht viel«, antwortete
Havers ausweichend. »Ich hab ein paar Mal mit ihm gesprochen, mehr nicht.«
»Wo ist er?«
»Keine Ahnung«, sagte Havers.
»Wahrscheinlich immer noch in Cornwall. Er war gerade auf einer Küstenwanderung,
als ich das letzte Mal von ihm gehört hab.«
»Da hat er sich ja ordentlich
was vorgenommen. Was für einen Eindruck hat er denn auf Sie gemacht, als Sie
zuletzt mit ihm gesprochen haben?«
Havers zog ihre ungezupften
Brauen zusammen, während sie offenbar zu ergründen versuchte, worauf Isabelle
hinauswollte. »So wie man es von einem Menschen erwartet, der sich gezwungen
gesehen hat, die Maschinen abzustellen, die seine Frau am Leben gehalten haben.
Also nicht gerade putzmunter. Er hatte sich im Griff, Chefin. Mehr weiß ich
nicht.«
»Wird er wieder zurückkommen?«
»Hierher? Nach London? Zur
Met?« Havers überlegte. Und sie schien über Isabelle nachzudenken und die
Möglichkeiten durchzugehen, warum die neue kommissarische Vorgesetzte sich über
den ehemaligen kommissarischen Detective Superintendent informierte.
Schließlich sagte sie: »Er wollte den Job nicht. Er hatte den Posten nur
vorübergehend übernommen. Er ist nicht erpicht auf eine Beförderung. So ein Typ
ist er nicht.«
Isabelle gefiel es nicht,
durchschaut zu werden, erst recht nicht von einer Frau. Thomas Lynley war
tatsächlich ein Faktor, der ihr zu schaffen machte. Sie hätte nichts dagegen,
ihn in ihrem Team zu haben, aber falls es dazu kam, wollte sie vorher darüber
informiert sein, und sie wollte, dass es zu ihren Bedingungen geschah. Dass er
unerwartet auftauchte und von allen mit Verehrung empfangen wurde, war das
Letzte, was sie gebrauchen konnte.
Sie sagte zu Havers: »Ich bin
um sein Wohlergehen besorgt, Sergeant. Falls Sie von ihm hören, würde ich das
gern erfahren. Nur, wie es ihm geht. Nicht, was er sagt. Kann ich mich in dieser
Hinsicht auf Sie verlassen?«
»Sicher«, sagte Havers. »Aber
ich werde nicht von ihm hören, Chefin.«
Isabelle war davon überzeugt,
dass Havers in beiden Punkten log.
Allein seine Musik machte die
Fahrt erträglich.
Die Hitze war erdrückend, denn
die Seitenfenster des Fahrzeugs, groß wie Kinoleinwände, ließen sich nicht
öffnen. Darüber befanden sich zwar schmale Kippfenster, und die waren alle
offen, aber das nützte nichts gegen den Mief, den das Sonnenlicht, das Wetter
und die ruhelosen menschlichen Körper in dem Stahlrohr auf Rädern erzeugten.
Wenigstens handelte es sich um
einen Gelenkbus und nicht um einen Doppeldecker. Wenn er hielt, gingen vorne
und hinten die Türen auf, und ein Luftzug - heiß und schwül, aber immerhin
frisch - erlaubte es ihm, tief durchzuatmen und daran zu glauben, dass er die
Fahrt überleben würde. Die Stimmen in seinem Kopf behaupteten das Gegenteil.
Sie schrien ihn an, er solle aussteigen, und zwar möglichst bald, denn es warte
Arbeit auf ihn: das Werk Gottes. Aber er konnte nicht aussteigen, und deswegen
hörte er Musik. Wenn sie nur laut genug aus seinen Ohrstöpseln kam, übertönte
sie alles andere, einschließlich der Stimmen.
Am liebsten hätte er die Augen
geschlossen, um sich ganz der Musik hinzugeben, den traurigen Klängen eines
Cellos. Aber er musste sie im Auge behalten, er musste bereit sein. Sobald sie
Anstalten machte auszusteigen, würde er ihr folgen.
Sie fuhren schon seit über
einer Stunde. Sie hätten beide nicht in diesem Bus sitzen dürfen. Er hatte
seine Arbeit und sie ebenfalls, und wenn man seinen Pflichten nicht nachkam,
dann geriet die Welt aus dem Gleichgewicht, und er musste es wieder in Ordnung
bringen. Ihm war befohlen, es in Ordnung zu bringen, und deswegen folgte er
ihr, sorgfältig darauf bedacht, nicht gesehen zu werden.
Sie war zuerst in einen Bus
gestiegen und dann in einen anderen umgestiegen, und jetzt sah er, dass sie
einen Stadtplan benutzte, um die Route zu verfolgen. Daraus schloss er, dass
ihr das Viertel, das sie durchquerten, unvertraut war - eine Gegend, wo es in
seinen Augen aussah wie überall in London:
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