George, Elizabeth
geziert. Sie sah aus wie jemand,
der undercover die Schrecken des Flüchtlingslebens erkundete. »Bei allem
Respekt, Chefin«, sagte Havers, obwohl ihr Ton nahelegte, dass sie sich leicht
gekränkt fühlte, »mal abgesehen davon, dass die Dienstvorschriften Sie nicht
dazu berechtigen, mir wegen meiner Kleidung Stress zu machen, glaub ich nicht,
dass mein Äußeres irgendwas damit zu tun hat, wie ich...«
»Akzeptiert. Aber Ihre äußere
Erscheinung hat etwas damit zu tun, ob Sie professionell wirken«, fiel
Isabelle ihr ins Wort. »Was man zurzeit nicht behaupten kann. Offen gesagt,
Vorschriften hin oder her, ich möchte, dass meine Mitarbeiter einen
professionellen Eindruck machen. Deswegen rate ich Ihnen, sich die Zähne
richten zu lassen.«
»Was, heute noch?«, fragte
Havers.
War sie wirklich so dummdreist?
Isabelles Augen wurden schmal. »Spielen Sie das nicht herunter, Sergeant«,
sagte sie. »Ich empfehle Ihnen außerdem, sich Ihrem Beruf entsprechend zu
kleiden.«
»Wie gesagt, bei allem
Respekt, aber Sie können nicht von mir verlangen...«
»Das ist richtig. Da haben Sie
recht. Aber ich verlange ja auch nichts von Ihnen, nicht wahr? Ich rate Ihnen.
Ich mache Ihnen Vorschläge. Ich gebe Ihnen Hinweise. Die Sie sicherlich schon
des Öfteren gehört haben.«
»Nicht direkt.«
»Nein? Nun, dann hören Sie sie
jetzt. Und wollen Sie mir ernsthaft weismachen, DI Lynley hätte nie eine
Bemerkung über Ihre äußere Erscheinung gemacht?«
Havers schwieg. Isabelle
spürte, dass der Name Lynley seine Wirkung getan hatte. Sie fragte sich kurz,
ob Havers in den Mann verliebt gewesen war - oder es immer noch war. Es schien
absurd, ja lächerlich. Andererseits, falls es stimmte, dass Gegensätze sich
anzogen, so gab es kaum zwei Menschen, die gegensätzlicher sein konnten als
Barbara Havers und Thomas Lynley, den Isabelle als liebenswürdig, gebildet,
vornehm im Ausdruck und ausnehmend gut gekleidet in Erinnerung hatte.
»Sergeant, bin ich die
Einzige, die...«, setzte sie an.
»Hören Sie, ich hab nichts
übrig für Shoppingtouren«, sagte Havers.
»Gut. Dann lassen Sie mich
Ihnen ein paar Tipps geben«, sagte Isabelle. »Erstens brauchen Sie einen Rock,
der gut sitzt, gebügelt ist und die angemessene Länge hat - oder meinetwegen
eine entsprechende Hose. Außerdem eine Jacke, die sich vorne zuknöpfen lässt.
Des Weiteren eine gebügelte Bluse, eine Strumpfhose, ein Paar Pumps oder
Halbschuhe, die sauber und poliert sind. Das hat nichts mit Gehirnwäsche zu
tun, Barbara.«
Havers hatte die ganze Zeit
ihr Fußgelenk betrachtet, das in dem roten Turnschuh steckte, doch als Isabelle
sie jetzt mit ihrem Vornamen anredete, blickte sie auf. »Wo?«, fragte sie.
»Wie bitte?«
»Wo soll ich mir das Zeug
besorgen?« Sie stellte die Frage in einem Ton, als hätte Isabelle von ihr
verlangt, dass sie die Straße ableckte.
»Bei Selfridge's zum Beispiel«, sagte Isabelle.
»Oder bei Debenham's. Und wenn
Sie sich das nicht allein zutrauen, nehmen Sie jemanden zur Begleitung mit.
Sie haben doch bestimmt die eine oder andere Freundin, die weiß, wie man sich
als berufstätige Frau kleidet. Und falls nicht, blättern Sie mal in einer
Modezeitschrift: und lassen sich inspirieren. Vogue. Oder Elle.«
Havers schien weder erfreut
noch erleichtert noch irgendwie einverstanden. Im Gegenteil, sie wirkte
jämmerlich. Nun, daran konnte sie nichts ändern, dachte Isabelle. Man hätte das
ganze Gespräch
als sexistisch bezeichnen können, aber Herrgott noch mal, sie versuchte doch
nur, der Frau zu helfen! Deshalb entschloss sie sich, aufs Ganze zu gehen. »Und
wo wir schon mal beim Thema sind: Darf ich vorschlagen, dass Sie auch etwas in
Bezug auf Ihre Haare unternehmen?«
Havers zuckte zusammen,
antwortete jedoch relativ ruhig: »Ich hab noch nie ein Händchen dafür gehabt,
viel draus zu machen.«
»Vielleicht hat jemand anders
eine Idee. Gehen Sie regelmäßig zum Friseur, Sergeant?«
Havers berührte ihr kurzes
Haar. Die Farbe war annehmbar. Kieferfarben würde sie einigermaßen treffend
beschreiben, dachte Isabelle. Aber von Frisur keine Spur. Offenbar schnitt
Havers sich die Haare selbst. Der Himmel wusste, wie sie das anstellte,
wahrscheinlich mit einer Gartenschere.
»Nun?«, hakte Isabelle nach.
»Nicht direkt.«
»Dann gewöhnen Sie es sich
an.«
Havers empfand anscheinend das
dringende Bedürfnis nach einer Zigarette, denn sie bewegte die Finger, als
würde sie sich eine unsichtbare Kippe drehen. »Ab wann?«,
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