George, Elizabeth
uns gefragt, warum Jossie seinen Fund nicht sofort gemeldet hat, wozu
er verpflichtet gewesen wäre, und jetzt wissen wir, warum. Versetzen Sie sich
mal in seine Situation: Wenn er einen römischen Schatz oder auch nur einen Teil
davon ausgräbt und die Behörden verständigt, werden sofort die Journalisten
über ihn herfallen und von ihm wissen wollen, wie er den Schatz gefunden und
was es damit auf sich hat. Solche Dinge lassen sich nicht geheim halten. Nicht,
wenn es sich um einen Schatz handelt, der auch nur annähernd denen von
Mildenhall oder Hoxne gleichkommt. Dann erscheint ganz schnell die Polizei,
sperrt das Gebiet ab, Archäologen treffen ein und die Experten des British
Museum. Ich wette, selbst die BBC würde kommen, und schon ist er in den
Morgennachrichten. Er soll ja in der Anonymität leben, aber plötzlich fliegt
die ganze Tarnung auf. Und das ist das Letzte, was er will.«
Nachdenklich sagte sie: »Aber
Jemima Hastings ahnt das natürlich nicht, weil sie nicht weiß, dass er unter
Schutz steht.«
»Genau. Er hat es ihr nicht
gesagt. Er hat die Notwendigkeit nicht gesehen, oder vielleicht wollte er es ihr auch nicht sagen.«
»Vielleicht war sie ja dabei,
als er den Schatz gefunden hat«, sagte Isabelle. »Oder er hat etwas mit ins Haus gebracht, wovon
er noch nicht wusste, was es war. Er hat es gesäubert und ihr gezeigt. Sie
gehen zu der Stelle, wo er es gefunden hat, und...«
»Und sie entdecken noch mehr«,
beendete Lynley den Satz. »Jemima weiß, dass man es melden muss. Oder zumindest
nimmt sie an, dass sie irgendetwas unternehmen müssen, außer den Schatz
auszugraben, zu säubern und dekorativ auf dem Kaminsims zu arrangieren.«
»Zu Geld machen können sie ihn
nicht«, sagte Isabelle. »Aber irgendetwas würden sie gern damit anfangen. Also
muss sie herausfinden - das würde jeder tun -, was man eigentlich mit so einem
Fund tun kann.«
»Das bringt Jossie in die
denkbar schlechteste Position«, führte Lynley weiter aus. »Er kann nicht
zulassen, dass sein Fund öffentlich bekannt wird, also...«
»Bringt er sie um.« Isabelle
fühlte sich völlig ernüchtert. »Das müssen Sie doch einsehen. Er ist der
Einzige, der ein Motiv hat.«
Lynley schüttelte den Kopf.
»Isabelle, er ist praktisch der Einzige, der kein Motiv hat. Das Letzte, was er
will, ist, irgendjemandes Aufmerksamkeit zu erregen, und er würde die Aufmerksamkeit
massiv auf sich lenken, wenn er sie tötete, denn sie lebt mit ihm zusammen.
Wenn er sich versteckt, wird er alles daransetzen, in seinem Versteck zu
bleiben, oder? Wenn Jemima darauf besteht, dass sie irgendetwas mit dem Schatz
anfangen - und warum sollte sie das nicht tun, denn ihn auf dem Markt zu
verkaufen, würde ihnen ein Vermögen einbringen -, dann besteht seine einzige
Möglichkeit, dies zu verhindern und das öffentliche Interesse von sich
fernzuhalten, auf gar keinen Fall darin, sie zu töten.«
»Mein Gott«, murmelte
Isabelle. Ihre Blicke trafen sich. »Sondern ihr die Wahrheit zu sagen. Und
deshalb hat sie ihn verlassen. Thomas, sie wusste, wer er ist. Er musste es ihr
sagen.«
»Und deshalb ist er nach
London gefahren, um sie zu suchen.«
»Weil er Angst hatte, sie
könnte es irgendwem erzählen?« Isabelle sah, wie die Puzzleteile
zusammenfielen. »Und genau das hat sie getan. Sie hat es Frazer Chaplin
erzählt. Nicht sofort natürlich. Aber als sie die Postkarten mit ihrem Foto aus
der Portrait Gallery gesehen hat mit Gordon Jossies Handynummer darauf. Aber
warum? Warum sollte sie es Frazer erzählen? Hatte sie aus irgendeinem Grund
Angst vor Jossie?«
»Wenn sie ihn verlassen hat,
können wir annehmen, dass sie entweder nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte
oder aber Zeit brauchte zu überlegen, was sie tun sollte. Sie hat Angst, sie
ist angewidert, sie macht sich Sorgen, sie kommt ins Straucheln, sie will den
Schatz, sie sieht ihr Leben aus den Fugen geraten, sie weiß, dass sie Gefahren
ausgesetzt ist, wenn sie weiter mit ihm zusammenlebt... Sie kann eine Menge
Gründe haben, warum sie nach London geht. Und einer greift in den anderen.«
»Zuerst läuft sie weg. Und
dann lernt sie Frazer kennen.«
»Sie werden ein Paar. Sie sagt
ihm die Wahrheit. Und damit sind wir wieder bei Frazer.«
»Und warum nicht bei Paolo di
Fazio? Schließlich war sie mit ihm zusammen, und er hat die Postkarten gesehen.
Oder Abbott Langer oder...«
»Das Verhältnis mit Paolo
hatte sie schon vor den Postkarten beendet, und Langer hat die Karten
Weitere Kostenlose Bücher