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George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Soros , Steve Clemons
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Deutschland seine Sonderziehungsrechte in die Rettungsbemühungen der G-20 einbringt. Das ist der Pfad zur Desintegration. Diejenigen, die den Status quo unerträglich finden und aktiv Veränderungen anstreben, werden zu antieuropäischem und fremdenfeindlichem Extremismus verleitet. Was derzeit in Ungarn geschieht – wo eine Rechtsaußen-Partei verlangt, dass Ungarn aus der EU austritt –, ist ein Vorbote dessen, was noch bevorsteht.
    Die Aussichten sind zwar wirklich trübe, doch es muss einen Weg geben, dies zu umgehen. Schließlich ist die Geschichte nicht vorherbestimmt. Ich sehe durchaus eine Alternative – die Wiederentdeckung der Europäischen Union als das „fantastische Objekt“, das so verführerisch erschien, als es eine bloße Idee war. Das fantastische Objekt war fast schon zum Greifen nahe, doch dann haben wir uns verirrt. Die offiziellen Vertreter vergaßen, dass sie fehlbar sind, und begannen, sich an den Status quo zu klammern, als sei er unantastbar. Die Wirklichkeit der Europäischen Union besitzt wenig Ähnlichkeit mit dem früher so verführerischen fantastischen Objekt. Sie ist dermaßen undemokratisch, dass die Wähler desillusioniert sind, und sie ist dermaßen unregierbar, dass sie die selbst erzeugte Krise nicht bewältigen kann.
    Dies sind die Mängel, die behoben werden müssen. Das sollte eigentlich nicht unmöglich sein. Dafür brauchen wir nur erneut die Prinzipien einer offenen Gesellschaft zu bekräftigen und anzuerkennen, dass die herrschende Ordnung nicht in Stein gemeißelt ist und dass die Regeln der Nachbesserung bedürfen. Wir müssen für die Eurokrise eine europäische Lösung finden, weil einzelstaatliche Lösungen zur Auflösung der Europäischen Union führen würden – was eine Katastrophe wäre. Aber wir müssen auch etwas am Status quo ändern. Ein solches Programm könnte die schweigende Mehrheit inspirieren, die zwar desillusioniert und orientierungslos ist, aber im Herzen immer noch pro-europäisch.
    Wenn ich mich in der Welt umsehe, dann sehe ich Menschen, die eine offene Gesellschaft anstreben. Ich sehe sie im Arabischen Frühling und in diversen afrikanischen Ländern. Ich sehe rege Bewegungen in Russland und in so fernen Ländern wie Burma und Malaysia. Warum nicht in Europa?
    Um konkreter zu werden, möchte ich die Umrisse einer europäischen Lösung der Eurokrise skizzieren. Sie beinhaltet ein heikles Manöver in zwei Phasen, ähnlich dem, das uns aus dem Crash 2008 herausgebracht hat. Über die damalige Situation habe ich geschrieben: Wenn ein Auto ins Rutschen gerät, muss man zuerst in die Richtung lenken, in die man rutscht, und man kann die Richtung erst dann korrigieren, wenn man das Fahrzeug wieder unter Kontrolle hat. Im vorliegenden Fall müssen zuerst die Defizitländer einer strengen Finanzdisziplin unterworfen werden und es müssen Strukturreformen angeregt werden. Aber dann muss ein Anreiz gefunden werden, der aus dem deflationären Teufelskreis herausführt – denn Strukturreformen allein werden das nicht leisten. Dieser Anreiz muss von der Europäischen Union ausgehen und er muss sowohl gemeinsam als auch einzeln verbürgt sein. Wahrscheinlich wird er in der einen oder anderen Form Eurobonds beinhalten. Es ist allerdings wichtig, dass die Lösung vorab formuliert wird. Ohne klaren Spielplan bleibt Europa in einem größeren Teufelskreis stecken, in dem wirtschaftlicher Niedergang und politische Desintegration einander gegenseitig verstärken.

TEIL I
2008: Nach dem Crash

DIE SCHLIMMSTE KRISE DER MÄRKTE SEIT 60 JAHREN
Financial Times , 23. Januar 2008
    Die aktuelle Finanzkrise wurde durch eine Blase des US-Häusermarktes ausgelöst. In mancher Hinsicht ähnelt sie anderen Krisen, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Abständen von vier bis zehn Jahren aufgetreten sind.
    Es gibt aber einen tief greifenden Unterschied: Die derzeitige Krise markiert das Ende einer Ära der Ausweitung des Kreditaufkommens, basierend auf dem Dollar als internationale Reservewährung. Die periodisch auftretenden Krisen waren Teil eines umfassenden Prozesses aus Aufschwung und Niedergang. Die aktuelle Krise ist der Höhepunkt eines Super-Aufschwungs, der seit mehr als 60 Jahren anhält.
    Aufschwünge mit nachfolgendem Zusammenbruch drehen sich normalerweise um Kredit und beinhalten immer eine Verzerrung oder eine Fehlauffassung. Gewöhnlich handelt es sich dabei um die Nichterkennung eines reflexiven, zirkulären Zusammenhangs zwischen der Bereitschaft zur

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