Georgette Heyer
Entschuldigung
zu bitten, daß ich derart spät komme. Ich zweifle jedoch nicht, daß Sie erwartet
haben, mich zu sehen!»
«Nun, jedenfalls hätte ich das
eigentlich müssen», antwortete Damerel. «Sie haben es wirklich heraus,
sozusagen gerade zur rechten Zeit einzugreifen, nicht? Haben Sie schon zu Abend
gespeist?»
Mr. Hendred überlief ein Schauer, und
er schloß einen Moment lang die Augen. «Nein, Sir, ich habe mit nichten
gespeist! Noch, darf ich hinzufügen ...»
«Dann müssen Sie ja verteufelt
hungrig sein!» sagte Damerel kurz angebunden. «Schauen Sie dazu, Imber!»
Ein Ausdruck akuter Seekrankheit
flog über Mr. Hendreds Antlitz, aber bevor er seinen Verdruß genügend meistern
konnte, um dieses Angebot höflich abzulehnen, trat Venetia vor, deren Mitgefühl
ihre weniger barmherzigen Gefühle besiegte, und sagte: «Nein, nein! Mein Onkel
kann nie essen, wenn er den ganzen Tag gereist ist! Oh, mein verehrter Sir, was
kann nur über Sie gekommen sein, daß Sie in dieser unvorsichtigen Weise hinter
mir herjagen? Ich hätte Ihnen so etwas nicht um die
Welt zu tun erlaubt. So überflüssig! So geradezu töricht! Sie dürften ja
völlig fertig sein!»
«Töricht?!» wiederholte Mr. Hendred.
«Ich habe London gestern nacht erreicht, Venetia, nur um mit der Nachricht
begrüßt zu werden, daß du die Stadt mit der Postkutsche verlassen hast, in der
ausdrücklichen Absicht, in dieses Haus zu kommen – wo ich dich denn auch
tatsächlich vorfinde! Soweit ich daraus klug werden kann, hast du diesen
katastrophalen Schritt wegen eines Zanks mit deiner Tante unternommen – und
ich muß sagen, Venetia, daß ich dir viel zuviel Vernunft zugetraut hätte, als
daß du dir auch nur irgend etwas zu Herzen nehmen könntest, das deine Tante in
einer unbeherrschten Laune gesagt haben mochte!»
«Mein lieber, lieber Onkel,
natürlich habe ich das nicht!» sagte Venetia reumütig und führte ihn
schmeichelnd zu einem Stuhl. «Ich bitte dich, setze dich doch nieder, denn ich
weiß sehr wohl, daß du zu Tod erschöpft bist und diese gräßliche Neuralgie
hast! Ich versichere dir, es hat keinen Zank gegeben! Meine arme Tante war
ganz außer sich, weil sie zuerst meine Mutter im Theater gesehen hat und dann
entdeckte, daß ich so undankbar war, ihre Bemühungen, mich in die große Welt
einzuführen, zunichte zu machen, indem ich am Arm meines Stiefvaters den
ganzen Weg lang vom Pulteney Hotel bis zur Oxford Street gegangen bin. Sie hat
mir ein großes Donnerwetter gemacht, und ich habe es ihr nicht im geringsten
verübelt – ich wußte ja, daß es mir bevorstand! Aber daß ich deshalb London
verlassen hätte oder im Zorn von ihr geschieden wäre – Sir, das kann sie Ihnen
einfach nicht erzählt haben! Sie wußte, was mein Grund war – ich habe vor ihr
kein Geheimnis daraus gemacht!»
«Deine Tante», sagte Mr. Hendred und
drückte sich mit eiserner Beherrschung aus, «ist eine Frau von großer
Sensibilität und ist, wie du dir bewußt sein mußtest, nervösen Anfällen
unterworfen! Wenn ihr Geist überwältigt wird, ist es schwer für sie, genügend
Fassung aufzubringen, um einen zusammenhängenden oder auch nur vernünftigen
Bericht von dem zu geben, was immer sie bekümmert haben mag. Ja», endete er
mit Schärfe, «es ist überhaupt nicht Hand noch Fuß an dem zu erkennen, was sie
sagt! Was ihr Wissen um deinen Grund betrifft, weiß ich nicht, was du ihr als
passend zu sagen befunden hast, Venetia, aber soweit ich sie verstanden habe,
ist dir nichts Besseres eingefallen, als sie mit irgendeinem Wirrwarr verrückt
zu machen, du wünschtest, Damerel solle dir Rosenblätter vor die Füße streuen!»
Damerel hatte sich wieder gesetzt
und schwermütig ins Feuer gestarrt, aber bei diesen Worten schaute er rasch
auf. «Rosenblät ter?» wiederholte er. «Ausgerechnet Rosenblätter?» Er schaute
Venetia mutwillig spottend an. «Aber, mein liebes Mädchen, zu dieser
Jahreszeit?!»
«Sei still, du elender Kerl!» sagte
sie errötend.
«Ganz richtig!» sagte Mr. Hendred.
Pedantisch genau, fügte er hinzu: «Oder sie mag vielleicht sogar die Absicht
gehabt haben, es Ihnen abzugewöhnen, solchen verschwenderischen Gewohnheiten
zu frönen. Ich war außerstande zu entdecken, was eigentlich – nicht daß es
wichtig wäre, denn ich habe im Leben noch keine so dumme Geschichte gehört!
Aber was du deiner Tante gesagt hast, ist belanglos. Was jedoch für mich von
höchstem Belang ist, meine liebe Nichte, ist die Tatsache,
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