Georgette Heyer
Damerel
zu der Stelle hingeführt hatte und er so vernünftig gewesen war, unverzüglich
um Dr. Bentworth zu schicken.
Das ging denn doch zu weit, und
Edwards Gesicht wurde streng. Lady Denny wandte sich von ihm ab, um Mr. und
Mrs. Trayne zu begrüßen, aber der Erbe des Hauses, der beobachtete, wie Edwards
Oberlippe lang wurde, betrachtete ihn verächtlich und äußerte düster und
leise: «Unnötig, dich aufzuspielen – Miss Lanyon weiß, daß sie sich ja auf mich
verlassen kann!»
Da es der Anstand Edward verbot, dem
jungen Mr. Denny eine Zurechtweisung zu verabfolgen, mußte er so tun, als hätte
er diese Außerung nicht gehört. Aber sein Gemüt war aus dem Gleichgewicht
gebracht, und seine Zweifel keimten wieder. Im Laufe des Abends jedoch bezog er
einen gewissen Trost von Miss Denny, die ihm anvertraute, Venetia tue ihr
aufrichtig leid. In ihren Augen, vor denen die sentimentale Vision eines
blonden, stattlichen Soldaten stand, war Damerel gräßlich häßlich, ziemlich alt
und durchaus nicht ein Mann, mit dem man plaudern konnte. «Die arme Venetia!»
sagte die sanfte Clara. «Ich bin überzeugt, sie wird einfach fertig sein vor
lauter Höflich-sein-Müssen, und zu Tränen gelangweilt! Mit Emily oder mir hat
er kaum gesprochen, als Papa ihn einmal hergebracht hat, und Mama sagte er nur
das Allerbanalste. Das wird Venetia nie im Leben genügen, nicht? Denn sie ist
so lebendig, und außerdem ist sie gewöhnt, sich mit dir und Aubrey zu
unterhalten. Ihr seid alle so klug!»
Edward war erfreut, antwortete aber
mit einem duldsamen Lächeln über die feminine Einfalt: «Ich hoffe, daß meine Konversation
zumindest vernünftig ist, aber ich gebe nicht vor, gelehrt zu sein, weißt du.
In dieser Beziehung, fürchte ich, überstrahlt mich Aubrey beträchtlich!»
«Natürlich, er ist ein großer
Bücherwurm, nicht?» stimmte Clara zu.
«So würde zumindest ich ihn
beschreiben, gebe ich zu, aber Lord Damerel, fürchte ich, hält seinen Intellekt
für bemerkenswert.»
«Wirklich? Ja, ich nehme an, das
stimmt, denn ich verstehe jedenfalls nicht die Hälfte von dem, was er sagt.
Aber du bist ja auch so sehr gebildet, und doch drückst du dich viel klarer
aus, so daß ich imstande bin, deinen Argumenten zu folgen, selbst wenn ich
nicht klug genug bin, selbst mitzureden.»
Er hatte viel zuviel Achtung vor der
Wahrheit, um ihr diesbezüglich zu widersprechen, aber er sagte ihr sehr nett,
daß er Blaustrümpfe nicht sehr schätze, und amüsierte sie mit einem Paradoxon
– daß die Weisesten ihres Geschlechts nicht danach strebten, klug zu sein.
Darüber lachte sie herzlich und rief aus: «Da! Das ist genau, was ich meinte,
als ich sagte, daß Venetia Lord Damerel langweilig finden würde! Ich bin
überzeugt, ihm fällt nicht einmal im Schlaf ein, etwas derart Witziges zu
sagen!»
Während also Lady Denny versuchte,
sich zu überreden, daß Venetia viel zuviel Verstand habe, um sich in einen Wüstling
zu verlieben, fuhr Edward von der Vision aufgemuntert heim, daß sie sich
langweilen würde, weil Damerel keine Konversation zu machen verstand. Und da
keiner von beiden Venetia eine beträchtliche Zeit hindurch zu Gesicht bekam,
blieb dieses friedliche Behagen ihrer Freunde ungestört von jeglicher Kenntnis,
wie das Glühen des Glücklichseins die Schönheit der
lieblichen Miss Lanyon zusätzlich aufblühen ließ.
Aubrey blieb zehn Tage in der
Priory, und selbst das Wetter verschwor sich, diese Tage für seine Schwester
paradiesisch zu machen. Es gab nur einen einzigen nassen und kühlen Tag, und
dann sickerte das Gold der reifenden Landschaft ins Haus, denn Damerel ließ ein
Feuer in der Bibliothek anzünden, und dessen Licht, das über die Lederrücken
der Bände flackerte, die die Wände des vertäfelten Raums bis zur Decke
bedeckten, ließ sie wie vergilbende Blätter erglühen. Damerel trug Aubrey
herunter, bettete ihn auf ein Sofa, und sie spielten zu dritt Cribbage,
brüteten über Bücher mit Kupferstichen, entdeckten auf den überfüllten
Bücherborden seltene Schätze und stritten heiß über jedes denkbare Thema vom
Sein materieller Dinge bis zu der Behauptung, daß ein schwarzes Pferd ohne
einen einzigen weißen Fleck unbedingt voll Unheil und Pech stecken müsse. Dann
brachte Damerel seine Skizzenbücher aus Griechenland herbei, die Aubrey in
flammende Begeisterung versetzten – und Nurse, die mit ihrer endlosen
Schiffchenarbeit beim Fenster installiert saß, schaute über ihre Brille auf die
Gruppe beim
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