Georgette Heyer
wahrscheinlich ist sie das nicht! Zweifellos langweilen ihn tugendhafte
Frauen. Und wie du weißt, mangelt es ja gerade ihr nicht an Vernunft. Unter
dieser spaßhaften Scherzhaftigkeit steckt bei ihr ein wirklich zarter Charakter,
und so wie sie geartet ist, ist sie zu sauber, als daß sie es sich erlauben
würde, Seine Lordschaft zu irgendeiner Einbildung, die die Grenzen
überschreiten würde, zu ermutigen.»
«O nein! Ich bin überzeugt, das
würde sie nicht.»
Er sah erleichtert drein. Aber
nachdem er eine Weile mit der Vorhangschnur gespielt hatte, sagte er ärgerlich:
«Aber eine peinliche Situation ist es doch! Es ginge mir sehr gegen den
Strich, wenn ich gezwungen wäre, mit Lord Damerel eine intimere Bekanntschaft
pflegen zu müssen, selbst wenn wir nahe genug an der Priory leben würden, daß
häufige Besuche in seinem Haus überhaupt möglich wären. In einem solchen Fall
würde ich es vielleicht als meine Pflicht ansehen. – Aber jeden Tag dreißig
Minuten zu reiten – hin und zurück, mußt du wissen! –, steht außer Frage.»
«O ja, mein Lieber, du hast sehr
recht! Ich glaube nicht, daß du überhaupt hinreiten solltest. Ich bin
überzeugt, daß es Aubrey in ein, zwei Tagen gut genug gehen wird, daß er
heimfahren kann, und es ist nicht anzunehmen, daß Lord Damerel noch lange in
der Priory bleibt. Das tut er doch nie, nicht?»
Diese freundliche Ansicht der Sache
tat viel, um Edwards Unbehagen zu beschwichtigen. Und es erleichterte ihn noch
mehr, als er am nächsten Abend seine Mutter zu
einem Diner in Ebbersley begleitete und seine Gastgeberin die Sache als nicht
besonders wichtig betrachtete.
Hierin irrte er, aber Lady Denny
mochte den sentenziösen jungen Mann nicht, und sie nahm sich zusammen, um die
Bestürzung zu verbergen, die sie befallen hatte, als ihr Sir John die Neuigkeit
brachte. Sir John hatte sie von Damerel selbst, den er in Thirsk getroffen
hatte, und hatte sie ihr in der denkbar beiläufigsten Weise mitgeteilt. Als
sie vor Entsetzen in Ausrufe ausgebrochen war, hatte er sie mit erhobenen
Brauen angestarrt. Und als sie gefragt hatte, was da zu tun sei, hatte er sie
zunächst ersucht, ihm zu erklären, was sie wohl damit meine. Und als er eine
ziemlich aufrichtige Erklärung erhalten hatte, hatte er sie weiterhin eine
ganze Minute lang angestarrt, als hätte sie ein Kauderwelsch dahergeredet, und
sich schließlich wieder mit einer trocken vorgebrachten Empfehlung, nicht so
töricht zu sein, in sein Buch vertieft.
Aber es war nicht sie, wer da
töricht war, wie sie ihm unverzüglich klarmachte. Er mochte sagen, was er
wollte – eine großmütige Erlaubnis, deren er sich nicht zu bedienen geneigt
zeigte –, aber sie wußte sehr gut, was wahrscheinlich dabei herauskommen würde,
wenn man ein unerfahrenes Mädchen in die Arme eines berüchtigten Wüstlings
trieb. Sir John mußte ihr gar nicht erst sagen, daß Damerel keine unanständigen
Annäherungsversuche bei einer Dame in Venetias Situation machen würde – sehr
wahrscheinlich würde er das nicht, obwohl man nie voraussagen konnte, was ein
Mann mit einem solchen Ruf zu tun imstande war –, aber, bitte sehr, hatte er
eigentlich überlegt, wie äußerst wahrscheinlich es war, daß er die arme Unschuld
dazu verführen würde, sich in ihn zu verlieben, und dann weggehen und sie mit
gebrochenem Herzen zurücklassen?
Als Sir John so geradeheraus gefragt
wurde, sagte er nein, das habe er nicht in Betracht gezogen. Er glaube nicht,
daß Venetia eine arme Unschuld war – immerhin war sie fünfundzwanzig, eine Frau
von überlegener Vernunft und ruhiger Veranlagung. Seiner Meinung nach war sie
sehr wohl imstande, sich vorzusehen. Er fügte noch hinzu, er hoffe, Ihre Gnaden
ließe sich ebenfalls davon zurückhalten, viel Lärm um Nichts zu schlagen und
sich in etwas einzumischen, das sie gar nichts angehe.
Diese stupide Gleichgültigkeit
konnte man nicht ohne Tadel hingehen lassen; aber nachdem Lady Denny sie
behandelt hatte, wie es ihr zukam, dachte sie allmählich selbst, daß darin
vielleicht ein Körnchen Wahrheit steckte, daß schließlich doch nichts sehr
Schreckliches bei Venetias Bekanntschaft mit einem Wüstling herauskom men
mußte. Auf jeden Fall hatte sie nicht vor, Edward Yardleys Einbildung zu
ermutigen. Als er daher in ernstem Ton sagte, sie hätte doch zweifellos von
Aubreys unglückseligem Unfall gehört, tat sie die ganze Sache leicht ab, ja
ging sogar so weit, zu sagen, sie sei froh, daß ein glücklicher Zufall
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