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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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Gentleman
gelassen und schnupfte auf.
    «Es war nur
eine leichte Wunde», erklärte sie. «Aber es hat ihn ernüchtert.»
    «Begreiflicherweise»,
nickte er.
    «Ja, Sir.
Er merkte allmählich, daß ich mich nicht nur zierte, sondern daß es mir
wirklich todernst war.»
    «Oh, in der
Tat? Was für ein Einfühlungsvermögen!»
    «Sie
lachen, Sir», antwortete Miss Challoner mit Würde, «aber damals war es nicht
sehr amüsant.»
    Der
Gentleman verbeugte sich. «Verzeihen Sie, bitte», sagte er feierlich. «Was
geschah dann?»
    «Seine
Lordschaft bestand darauf, die Wahrheit zu erfahren. Als er mich angehört
hatte, sagte er, es gäbe nur eine einzige Möglichkeit. Ich müßte ihn sofort
heiraten.»
    Der scharfe
Blick löste sich von der emaillierten Schnupftabaksdose und nahm einen
gepannten Ausdruck an. «Nun haben wir den Punkt erreicht, wo Sie mich am
meisten interessieren», sagte die sanfte Stimme. «Bitte weiter, Miss
Challoner.»
    Sie schaute
auf ihre verschränkten Hände nieder. «Natürlich konnte ich einem so
überüberlegten Plan nicht zustimmen. Ich mußte den Antrag Seiner Lordschaft
ablehnen.»
    «Ich halte
mich keineswegs für einen Dummkopf», sagte der Gentleman nachdenklich, «und
wenn ich Ihnen auch Ihr Widerstreben nachfühlen
kann, einen so liederlichen Menschen wie Lord Vidal zu heiraten, so befanden
Sie sich doch in einem solchen Dilemma, daß ich im Augenblick
nicht begreifen kann, warum Sie ablehnen mußten.»
    «Ganz
einfach, Sir – ich war Lord Vidal völlig gleichgültig», antwortete Miss
Challoner leise. «Außerdem war mir klar, daß er mit dieser Bindung
eine – eine beklagenswerte Mesalliance eingehen würde. Wenn Sie gestatten, will
ich nicht darüber sprechen. Ich bat Seine Lordschaft – da ich nun kaum noch
nach England zurückkehren konnte –, mich nach Paris mitzunehmen, wo ich eine
passende Arbeit zu finden hoffte, doch diese meine Absichten kennen Sie ja
schon.»
    Das Monokel
wurde wieder erhoben. «Sie scheinen Ihre etwas heikle Situation mit
bemerkenswertem Gleichmut ertragen zu haben.»
    Sie zuckte
die Achseln. «Was sollte ich sonst tun, Sir? Hysterie hätte mir nicht geholfen.
Außerdem war Seine Lordschaft krank, weil sich die
Schußwunde etwas entzündet hatte, und da er eine Menge unbesonnener Dinge tun
wollte, war ich so damit beschäftigt, ihn daran zu hindern, daß mir keine Zeit
blieb, an meine eigenen Sorgen zu denken.»
    «Nach
meiner kurzen Bekanntschaft mit Ihnen, Miss Challoner, bin ich ziemlich
überzeugt, daß Ihnen das auch mit Erfolg gelungen ist.»
    «O ja»,
erwiderte sie. «Es ist gar nicht schwer, mit ihm auszukommen, wenn – wenn man
nur weiß, wie man ihn zu behandeln hat.»
    Das Monokel
senkte sich mit einem Ruck. «Die Eltern Seiner Lordschaft sollten begierig
sein, Sie kennenzulernen», sagte der Gentleman.
    Sie
lächelte verzerrt. «Ich fürchte nein, Sir. Ich weiß nicht, ob Sie mit Seiner Gnaden,
dem Herzog von Avon, bekannt sind?»
    «Sogar sehr
intim», erwiderte er mit dem Anflug eines Lachens. «Oh, dann ...» Sie verstummte.
«Kurz gesagt, ich lehnte Lord Vidals Antrag ab, und wir ...»
    «Wollten
Sie nicht eben etwas über den Herzog von Avon bemerken?» unterbrach er sie
liebenswürdig.
    «Ja, Sir,
aber da Sie offenbar eng mit ihm befreundet sind, will ich lieber Abstand davon
nehmen.»
    «Aber ich
bitte Sie – nur frisch von der Leber weg. In was für einem düsteren Licht ist
Ihnen dieser Gentleman erschienen?»
    «Ich habe
ihn noch nie gesehen, Sir. Ich beurteile ihn nur nach dem, was ich über ihn
hörte, und auf Grund der Bemerkungen, die Lord Vidal von
Zeit zu Zeit fallenließ. Ich glaube, er ist ein recht unmoralischer und völlig
herzloser Mensch. Der Beschreibung nach wirkt er auf mich sehr unheimlich, und
ich glaube, er geht über Leichen, wenn er ein Ziel erreichen will.»
    Der
Gentleman war unverkennbar amüsiert. «Ich bin weit davon entfernt, Ihnen zu
widersprechen, Miss Challoner, aber darf ich fragen, ob diese meisterhafte
Charakterstudie von Lord Vidals Lippen stammt?»
    «Sie
meinen, Lord Vidal hätte mir das gesagt? Nein, Sir. Ich hatte vielmehr
den Eindruck, daß Mylord seinem Vater sehr zugetan ist. Ich habe mir meine
Meinung an Hand dessen gebildet, was ich ganz allgemein über
ihn hörte, und natürlich spielt dabei auch die lebhafte Angst eine Rolle, die
meine Freundin, Miss Marling, vor ihrem Onkel hat. Seine Lordschaft gab mir
lediglich zu verstehen, sein Vater sei von einner geradezu

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