Georgette Heyer
Blut begann in ihren
Schläfen zu pochen, als sie das häßliche Lächeln sah, das um seine schmalen
Lippen spielte. Schon die Art, wie er lässig mit weit von sich gestreckten Beinen,
die eine Hand in der Hosentasche, in seinem Stuhl flegelte, während sie noch
stand, war eine Beleidigung.
«Verzeihen
Sie mir meine Heiterkeit», sagte er arrogant. «Ich nehme an, die Wahrheit ist,
daß Miss Sophia einen anderen Esel gefunden hat, der ihr mehr bietet, als ich
es gewillt war, wie?»
Sie zuckte
gleichgültig die Achseln. «Oh, ich verrate keine Geheimnisse, Sir!»
In diesem
Augenblick kam der Wirt herein, gefolgt von einem Hausdiener, der ein Tablett
trug. Miss Challoner ging zum Fenster hinüber und wartete, bis der Tisch
gedeckt war. Als sie wieder allein waren, sagte Seine Lordschaft: «Ihr Kaffee
– wie heißen Sie doch gleich? War's nicht Mary?»
Sie vergaß
ihre Rolle und sagte eisig: «Ich habe Ihnen nicht erlaubt, mich so zu nennen.»
Wieder
lachte er. «Im Gegenteil, Verehrteste, ich bin hier derjenige, der bestimmt,
und ich kann mir erlauben, was ich will. Setzen Sie sich.»
Sie rührte
sich nicht von der Stelle, sondern maß ihn nur kalt.
«Aha, auch
noch widerspenstig, was? Na, ich werde dich schon zähmen», meinte Vidal und
erhob sich.
Sie
unterdrückte ein plötzliches Verlangen, die Flucht vor ihm zu ergreifen, da
packte er sie auch schon nicht eben sanft und stieß sie in einen Stuhl. Eine
schwere Hand preßte sich auf ihre Schulter und drückte sie nieder. «Du hast
dich entschlossen, mit mir zu kommen», sagte der Marquis, «und bei Gott, du
wirst mir gehorchen, und wenn ich dich meine Reitgerte kosten lassen muß!»
Er schaute
so grimmig drein, daß sie fast überzeugt war, er würde seine Drohung
wahrmachen. Als sie stillsaß, nahm er seine Hand von ihrer Schulter. «Trink
deinen Kaffee», befahl er. «Du hast nicht viel Zeit.»
Ihre Hände
zitterten, aber sie brachte es fertig, ein wenig Kaffee in die Tasse zu gießen.
«Ist uns
der Schreck in die Glieder gefahren, wie?» sagte die verhaßte Stimme. «Keine
Angst, ich werde dich nicht schlagen, wenn du dich anständig aufführst. So,
nun laß mich mal sehen.» Er faßte sie grob am Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich
her. «Gar nicht so übel. Ich glaube fast, wir werden ganz gut miteinander
auskommen.»
Sie nippte
an dem heißen Kaffee und fühlte sich gleich weniger elend. «Leider wird sich
keine Gelegenheit ergeben, das zu beurteilen», sagte sie beherzt, «denn ich fahre
mit der nächsten Kutsche nach London zurück.»
«O nein,
meine Liebe», erklärte Seine Lordschaft. «Du wirst mich an Sophias Stelle nach
Paris begleiten.»
Sie schob
die Tasse weg. «Das soll wohl ein Scherz sein, Mylord – oder wollen Sie mir
wirklich weismachen, daß Sie beabsichtigen, mit mir durchzubrennen?»
«Warum
nicht?» fragte Vidal kühl. «Ob die eine Hure oder die andere – das bleibt sich
ziemlich gleich.»
Sie setzte
sich sehr gerade auf und verschränkte die Hände locker im Schoß. «Sie haben zwar
den kürzeren gezogen, Sir, aber müssen Sie mich deshalb beleidigen?»
Er lachte.
«Warten wir erst ab, wer letzten Endes den kürzeren zieht, Mädchen. Und was
heißt beleidigen? Daß ich nicht lache! Haben Sie vielleicht die Güte, Madame,
mich zu belehren, wie man ein so dreistes Weibsstück wie Sie überhaupt
beleidigen kann? Oh, spiel jetzt bloß nicht die Gekränkte, meine Liebe – nach
deiner nächtlichen Eskapade wird dir das wenig nützen.»
«Sie können
mich nicht nach Frankreich mitnehmen», beharrte sie. «Nur weil Sophia so
unbesonnen war, glauben Sie, daß ich – daß wir lockere Vögel sind, aber ...»
«Wenn du
versuchen willst, mir ein Märchen von eurer Tugend aufzubinden, verschwendest
du nur deine Zeit», unterbrach seine Lordschaft sie. «Ich wußte von Anfang an,
woran ich bei deiner Schwester war, und was dich bestrifft, so hast du meine
eventuell vorhandenen Zweifel restlos zerstreut. Sittsame junge Damen geben
sich nämlich nicht für diese Art von Scherzen her. Vielleicht entspreche ich
nicht ganz deinem Geschmack, aber wenn es dir gelingt, mir zu gefallen, wirst
du sehen, daß ich nicht weniger großzügig bin als jeder andere Mann.»
«Sie sind
einfach empörend! sagte sie mit erstickter Stimme. Sie stand auf, und diesmal
machte er keine Anstalten, sie daran zu hindern. «Seien Sie so freundlich, mir
zu sagen, wie weit ich von London entfernt bin. Wo sind wir hier eigentlich?»
«In
Newhaven», antwortete
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