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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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wieder zurücksinken und
versuchte, ein bißchen Ordnung in den Wirrwarr von Erinnerungen an die
vergangenen endlosen Stunden zu bringen. Es war alles ein wenig verschwommen,
aber sie wußte noch, daß Lord Vidal sich nach seiner Hilfeleistung mit der
ominösen Schüssel empfohlen hatte – ja, und dann war er nach einiger Zeit, als
sie vor Erschöpfung schon nicht mehr sprechen konnte, wieder erschienen und
hatte sie gezwungen, etwas zu schlucken, das sie entsetzlich in der Kehle
brannte. Als sie sich dabei vage seiner Drohung entsann, sie betrunken machen
zu wollen, und sich daraufhin mit letzter Kraft zur Wehr setzte, hatte er in
nach wie vor unverkennbar amüsiertem Ton gesagt: «Keine Angst, meine Liebe, das
ist nur Brandy. Das wird dir guttun.»
    Sie hatte
das Zeug gehorsam hinuntergewürgt, und danach war sie eingeschlafen. Allem
Anschein nach mußte Seine Lordschaft sie ins Bett gesteckt haben. Soviel
Rücksichtnahme hätte sie ihm gar nicht zugetraut.
    Während sie
noch benommen weitergrübelte, wurde plötzlich die Tür geöffnet, und der Marquis
spazierte herein. Seine Augen glänzten heiter, und sein Haar war etwas
zerzaust. «Na, endlich wach?» sagte er. «Dann flott heraus aus den Federn.»
    «Ich
glaube, ich kann nicht», antwortete Miss Challoner ehrlich. «Mir ist
schwindlig.»
    «Es muß
aber sein. Wir sind in Dieppe. Alles, was du brauchst, ist ein ordentlicher
Happen in den Magen», erklärte Seine Lordschaft ohne die geringste Spur von
Mitleid.
    Miss
Challoner war gezwungen, sich aufzusetzen. «Meinetwegen drängen Sie mir Ihre
Gegenwart auf», sagte sie bitterböse, «aber wenn Sie auch nur einen Funken
Mitgefühl haben, dann kommen Sie mir nicht mit Essen.»
    «Nicht
einmal ein Fünkchen», sagte Vidal. «Glaub mir, wenn du erst einmal eine
anständige Mahlzeit zu dir genommen hast, fühlst du dich wie neugeboren. Also
steh auf, damit wir an Land gehen können.»
    «Land» –
das brachte Miss Challoner wie ein Zauberwort auf die Beine. Seine Lordschaft
bot ihr den Arm. «So ist's schon besser», lobte er sie. «Ich habe im Coq d'Or
Zimmer und ein Diner bestellt.»
    Sie gingen
an Deck hinauf. Miss Challoner bat den Marquis, voranzugehen, und erklomm dann
die Kajütstreppe, so rasch es ihr armer, schmerzender Kopf eben erlaubte. Oben
angekommen, blinzelte sie überrascht auf ein wunderbar ruhiges und blaues
Meer. Dann sah sie die langen Schatten am Kai und fragte erschrocken nach der
Zeit.
    «Fast
sechs», antwortete Vidal. «Wir hatten eine stürmische Überfahrt.»
    Ihr Gehirn
weigerte sich zu arbeiten. Immer wieder sagte sie sich: «Ich bin in Frankreich.
Ich kann jetzt nicht mehr heim. Es hat keinen Sinn, wenn ich frage, wie spät es
ist. Ich bin in Frankreich.»
    Der Marquis
führte sie über die Gangway und dann den Kai entlang bis zum Coq d'Or. «Dein
Gepäck ist schon oben», sagte er.
    Sie schaute
ihn verblüfft an. «Aber ich habe keines.»
    «Du
vergißt», erwiderte er ironisch, «daß ich Sophia auftrug, nichts mitzubringen.
Ich habe versprochen, ihr alles, was sie brauchen könnte, zur Verfügung zu
stellen.»
    «Sie haben
– Kleider für Sophia gekauft?» fragte sie ungläubig.
    Er grinste.
«Oh, nicht nur Kleider – schließlich weiß ich genau, was ein Frauenherz
begehrt. Wäsche, Negligés, Schleifen, Perlen, Parfum von Warren's, Poudre ä la
Maréchale – du wirst sehen, daß nichts fehlt. Ich habe eine ungeheure Erfahrung
auf diesem Gebiet.»
    «Das
bezweifle ich nicht», sagte sie.
    «Dann hoffe
ich nur noch, den erlauchten Geschmack getroffen zu haben», sagte er mit einer
Verneigung und überließ sie dem wartenden Zimmermädchen, dem Miss Challoner
notgedrungen nach oben folgte. Sie konnte sich ungefähr vorstellen, wie ihr
Äußeres in Mitleidenschaft gezogen war, und fühlte sich der kommenden Szene mit
dem Marquis in diesem ramponierten Zustand keineswegs gewachsen.
    Da sie die
französische Sprache einigermaßen beherrschte, hatte sie keine Schwierigkeit,
dem Mädchen ihre Wünsche mitzuteilen. Sie wusch sich Gesicht und Hände, steckte
ihr Haar frisch auf (wozu sie Kamm und Bürste benützte, für die Seine
Lordschaft gesorgt hatte), und nahm zum Schluß mit spitzen Fingern die Pistole
aus ihrer Manteltasche. Sie dachte, sie könne sie vielleicht so halten, daß
ihre Krinoline sie verbarg, und probierte es sofort vor dem Spiegel aus, mußte
aber einsehen, daß dieses Vorhaben undurchführbar war. Kurz entschlossen
behielt sie also die Waffe in der rechten Hand

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