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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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den
sie vermeiden wollte. Als sie die Pistole aus dem Halfter genommen hatte,
wurde sie lediglich von der vagen Idee geleitet, ein Schießeisen könnte
vielleicht einmal von Nutzen sein, aber sie hatte nicht im Traum an die
Möglichkeit gedacht, daß sie jemals in die Lage kommen würde, zu solchen
Mitteln greifen zu müssen. Jetzt war es zu spät, aber bei der erstbesten
Gelegenheit wollte sie versuchen, die Pistole aus der Tasche zu ziehen, in der
sie im Moment so fest steckte.
    Der Marquis
geleitete sie hinaus. Als er in der Kaffeestube die Rechnung bei dem
kriecherisch unterwürfigen Wirt bezahlte, gelobte sich Miss Challoner in
Gedanken, nie wieder einen Fuß nach Newhaven zu setzen.
    Wohl oder
übel folgte sie dem Marquis hinaus auf den Kai. Auf der stürmischen See tanzten
weiße Schaumkronen; Miss Challoner betrachtete sie mit heimlicher Besorgnis.
Dann sah sie die zierliche Jacht, die sie von der Kutsche aus bemerkt hatte –
sogar im Schutz des Hafens schlingerte sie bedenklich. Miss Challoner fühlte
einen leichten Schwindel und blickte flehend zu dem dunklen Gesicht neben ihr
auf.
    Mylord
schenkte ihr nicht die geringste Beachtung, sondern schob sie ungerührt über
die Gangway auf das Deck der Albatross. Einige bärbeißig wirkende
Männer, die mit einem – wie es ihr schien – unentwirrbaren Berg von Tauen
beschäftigt waren, warfen ihr neugierige Blicke zu, aber Seine Lordschaft
eskortierte sie rücksichtslos zu einer steilen Kajütstreppe. Da er offenbar
begriff, daß die Bewältigung dieses Hindernisses über ihre Kräfte ging, warf
er sie sich kurzerhand wie einen Sack über die Schulter und trug sie hinunter.
Am Unterdeck setzte er sie ab und stieß sie in eine leidlich geräumige Kajüte.
    «Marsch
hinein», befahl er. «Da hast du es ganz gemütlich, hoffe ich. Bleib hier, bis
ich zurückkomme. Ich brauche nicht lang.»
    Als er
verschwunden war, ging Miss Challoner auf wackeligen Beinen zu der am Schott
befestigten Koje und ließ sich darauf niedersinken. Jetzt war unzweifelhaft
der günstigste Zeitpunkt für sie gekommen, sich in den Besitz der Pistole zu
bringen, aber seltsamerweise traf sie keinerlei Anstalten, ihre Verteidigung
vorzubereiten. Der Umhang glitt achtlos zu Boden, als sie die Hände vors
Gesicht schlug.
    Draußen auf
dem Deck polterten schwere Schritte; Befehle wurden gebrüllt; die Jacht
schlingerte mehr denn je, und Miss Challoner verlor um ein Haar das
Gleichgewicht und stürzte fast von der Koje. Sie beschloß, sich hinzulegen.
Die Vorgänge auf Deck waren ihr im Augenblick völlig gleichgültig.
    Ein wenig
später betrat der Marquis ohne viele Umstände die Kabine. «So, meine Liebe, wir
haben die Anker gelichtet», sagte er mit seinem abscheulichen Lächeln.
    Miss
Challoner öffnete die Augen, wunderte sich, Seine Lordschaft so frisch und
munter zu sehen, und klappte sie mit einem Schaudern wieder zu.
    «Und
jetzt», sagte Vidal honigsüß, «und jetzt, Miss Mary Challoner . ..!»
    Miss
Challoner machte eine heroische Anstrengung und stützte sich auf ihren
Ellbogen. «Sir», sagte sie, selbstbeherrscht bis zum äußersten, «es ist mir
gleichgültig, ob Sie gehen oder bleiben, aber ich möchte Sie warnen, daß mir bald
entsetzlich übel wird.» Sie preßte ihr Taschentuch vor den Mund und fügte
erstickt hinzu: «Gleich!»
    Sein Lachen
klang, so fand sie jedenfalls, ausgesprochen herzlos. «Du meine Güte, daran
habe ich wirklich nicht gedacht», sagte er. «Nimm das hier, mein Mädchen.»
    Sie öffnete
noch einmal die Augen und sah, daß Seine Lordschaft ihr eine Schüssel reichte,
ein Anblick, an dem sie durchaus nichts Ungehöriges finden konnte. «Danke!»
keuchte Miss Challoner voll echter Dankbarkeit.

7
    Miss Challoner erwachte mit einem langen
Seufzer, blieb aber mit geschlossenen Augen liegen. Sollte sie die Lider heben
und damit wieder ein Unheil heraufbeschwören? Nein, dachte sie, was sie bisher
durchgemacht hatte, reichte ihr vollauf. Dann kam ihr allmählich zu Bewußtsein,
daß die Jacht gar nicht mehr so fürchterlich schlingerte, sondern bis auf ein
unmerkliches Schaukeln fast gänzlich stillag. Sie schlug die Augen auf und
starrte argwöhnisch auf die Einrichtung ihrer Kabine, und siehe da, sie hob und
senkte sich nicht mehr vor ihrem entrüsteten Blick.
    «Gott sei
Dank!» stöhnte Miss Challoner inbrünstig.
    Sie fühlte
sich ausgesprochen schwach, und als sie den Kopf vom Kissen hob, erfaßte sie
ein unangenehmer Schwindel. Sie ließ sich daher

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