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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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er, indem er seinen Bierkrug leerte. «Kann ich von hier
die Postkutsche nehmen?»
    «Keine
Ahnung», meinte Seine Lordschaft gähnend. «Du brauchst dir gar nicht den Kopf
darüber zu zerbrechen, denn das mit Paris war mein Ernst.»
    «Daß Sie
mich mitnehmen wollen? Sie sind verrückt, Mylord! Bilden Sie sich ein, ich
würde mich so ohne weiteres fügen? Heutzutage kann nicht einmal ein vornehmer
Herr Marquis eine junge Dame mit Gewalt an Bord seiner Jacht bringen.»
    «Wohl
kaum», stimmte Seine Lordschaft zu. «Aber ich kann dich so betrunken machen,
daß du sicher nicht mehr in der Lage bist, dich zu wehren.» Er zog eine Flasche
aus der Tasche seines Überziehers und hielt sie in die Höhe. «Gin», sagte er
kurz.
    Einen
Augenblick war sie sprachlos, dann erklärte sie im Brustton der Überzeugung:
«Ich glaube, Sie sind wirklich verrückt.»
    Er erhob
sich und ging auf sie zu. «Du kannst glauben, was du willst, Mary, aber du
wirst meinen Gin trinken.»
    Sie wich
zurück, bis ihr die Wand den Weg versperrte. «Wenn Sie mich anrühren, schreie
ich», warnte sie ihn. «Ich hasse Szenen, aber diesmal würde ich es tun.»
    «Schrei
ruhig», sagte er. «Du wirst schon merken, daß der alte Simon taube Ohren hat –
wenn er will.»
    Sie konnte
sich sehr gut vorstellen, daß der Wirt sich hüten würde, seinem noblen Gönner
in die Quere zu kommen, und plötzlich beschlich sie ein Gefühl völliger
Hilflosigkeit. Der Marquis beugte sich drohend über sie, und es hatte ganz den
Anschein, als wollte er ihr wirklich den Inhalt seiner Flasche gewaltsam in die
Kehle gießen.
    «Bitte
zwingen Sie mich nicht, das zu trinken», sagte sie ruhig. «Ich bin nicht die
schamlose Person, für die Sie mich halten, Mylord, obwohl es Ihnen schwerfallen
muß, das zu glauben. Ich kann – ich kann Ihnen wahrscheinlich alles erklären,
wenn Sir mir einen Augenblick zuhören wollen.»
    «Später
höre ich mir deine Erklärung gern an», antwortete er. «Jetzt haben wir dazu
keine Zeit.»
    Wie um
seine Behauptung zu bekräftigen, klopfte jemand laut an die Tür und rief:
«Mylord, wir werden die Flut versäumen!»
    «Ich
komme!» sagte er und wandte sich wieder Mary zu.
    «Also
rasch!»
    Sie
umklammerte mit beiden Händen sein Handgelenk. «Sie brauchen mich nicht
betrunken zu machen. Da mir nichts anderes übrigbleibt, komme ich freiwillig
mit.»
    «Das habe
ich mir gedacht», sagte der Marquis mit einem grimmigen Lächeln.
    Er ging zum
Tisch hinüber und trank, ohne sie aus den Augen zu lassen, den Rest seines
Biers aus. Sie hätte seinem Blick gern trotzig stand gehalten, aber es fehlte
ihr der Mut dazu. Als sie neben ihn trat, um ihr Cape von der Stuhllehne zu
nehmen, stellte er den Krug nieder und sagte betont langsam: «Du wirst niemand
außer meinen eigenen Leuten auf dem Kai sehen, aber falls du in Versuchung
kommen solltest, einen Skandal zu inszenieren, dann vergiß nicht, daß ich dir
die Luft abdrehen kann, bevor du auch nur einen Laut herausbringst.»
    Er
schlenderte scheinheilig auf sie zu, während sie das Cape umlegte, und bevor
sie seine Absicht durchschaute, packte er sie am Arm und legte ihr seine
wohlgeformte Hand um die Kehle. Er ließ sie spüren, welche Kraft in seinen
Fingern lag, und obwohl sie mit größter Anstrengung versuchte, Haltung zu
bewahren, fühlte sie doch ein unangenehmes Dröhnen im Kopf und kämpfte
verzweifelt gegen eine Ohnmacht an. «Siehst du, so», sagte der Marquis mit
einem spöttischen Grinsen. Er ließ sie los und massierte unwillkürlich ihren mißhandelten
Hals. «Tut weh, was?» fragte er. «Falls du mich zwingst, das Experiment zu
wiederholen, wirst du eine ganze Weile nicht sprechen können. Wenn ich dich
erwürgt habe – und das geht blitzschnell, meine Liebe –, trage ich dich an Bord
und sage einfach, falls jemand neugierige Fragen stellt, du bist in Ohnmacht
gefallen. Hast du mich verstanden, du Miststück?»
    «Völlig,
Sir», krächzte sie.
    «Gut»,
sagte er versöhnlich, «dann gehen wir.»
    Er zog
ihren Arm durch den seinen und führte sie zur Tür. Dabei stieß die Pistole in
ihrer Manteltasche gegen ihr Knie, und sie zuckte überrascht zusammen.
    Sie traute
sich nicht zu, sie mit einer Hand herausziehen zu können, während der Marquis
die andere Hand wie in einem Schraubstock festhielt. Außerdem fürchtete sie,
es könnte sich zufällig ein Schuß lösen, denn sie hatte keineswegs die Absicht,
von der Waffe Gebrauch zu machen und so genau den Skandal hervorzurufen,

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