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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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weil ich überzeugt bin, daß es anders viel bequemer
ist. Wie gefällt dir übrigens meine Frisur à la Venus?»
    Mary lehnte
sich zufrieden wieder in die Kissen zurück. Nachdem Sophia und ihre Mutter
gegangen waren, blieb sie eine Weile liegen und dachte nach. Betty brachte ihr
auf einem Tablett das Abendessen, doch sie hatte keinen Appetit und schickte es
fast unberührt wieder zurück. Um zehn stieg Betty die steile Treppe in ihre
kleine Kammer hinauf, und Mary stand auf und begann sich anzukleiden. Ihre
Finger zitterten ein wenig, als sie sich mit Spitzen und Häkchen abmühte, und
sie fror auch ein bißchen. Sie wühlte in Sophias nach Zedernholz duftenden
Schubladen und förderte eine Lu-Maske zutage, die noch von irgendeinem
Karneval stammte. Sie legte sie an und dachte, während sie in den Spiegel
blickte, wie seltsam ihre Augen hinter den schmalen Sehschlitzen glitzerten.
    Im Retikül
hatte sie noch etwas von ihrem Wirtschaftsgeld, nicht sehr viel, aber
hoffentlich genug für ihre Bedürfnisse. Sie streifte die Schlaufe des kleinen
Beutels über ihren Arm, warf sich ein Cape um und zog die Kapuze sorgfältig
über den Kopf.
    Dann ging
sie auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. Vor dem Zimmer ihrer Mutter blieb
sie stehen und legte ihren Brief auf den Toilettentisch. Gleich darauf schlich
sie lautlos durch die Diele und stahl sich aus dem stillen Haus.
    Die Straße
war völlig menschenleer, und ein scharfer Wind bauschte Marys weiten Umhang.
Sie raffte ihn zusammen und setzte, ihn mit einer Hand festhaltend, ihren Weg
fort. Die Nacht war kalt. Sturmwolken zogen über den Himmel und verdeckten von
Zeit zu Zeit den Mond.
    Als Mary
die Straßeneinbiegung erreichte, schimmerte vor ihr die, Laterne einer
wartenden Kutsche. Sie spürte plötzlich das Verlangen umzukehren, unterdrückte
es aber und ging tapfer weiter.
    In dem
trüben Lichtschein konnte sie, als sie näher kam, die Umrisse einer
vierspännigen Reisekalesche ausnehmen. Vorne neben den Pferden sah sie
undeutlich die Gestalten der Vorreiter stehen, und im Licht einer Fackel, die
vor dem Eckhaus brannte, erkannte sie die größere Silhouette eines Mannes, der
ungeduldig auf und ab schritt.
    Sie trat
leise heran und streckte ängstlich eine Hand aus. «Da bist du ja!» sagte er,
indem er herumfuhr und ihre Finger an die Lippen zog. Sie bebten in seinem
festen Griff. Einen Arm um ihre Schulter gelegt, führte er sie zur Kutsche.
«Hast du Angst? Sei ganz ruhig, mein Vögelchen. Bei mir bist du sicher.» Er
sah, daß sie maskiert war, und lachte leise. «Oh, meine kleine Romantikerin,
war das notwendig?» neckte er sie, und seine Hand tastete nach der Schnur der
Maske.
    Sie schob
ihn von sich. «Nicht jetzt! Nicht hier!» flüsterte sie, und er gehorchte, noch
immer belustigt. «Es kann dich zwar niemand sehen, aber wenn du willst, behalt
sie auf.» Er half ihr beim Einsteigen. «Versuche zu schlafen, mein Schatz. Ich
fürchte, du hast eine lange Reise vor dir.»
    Als er vom
Trittbrett sprang, merkte sie aufatmend, daß er beabsichtigte zu reiten.
    Die Chaise
war sehr luxuriös gepolstert, und auf einem Sitz lag eine Pelzdecke. Mary zog
sie über sich und kuschelte sich in eine Ecke. Eine lange Reise, hatte er
gesagt. Wollte er womöglich doch an die schottische Grenze? Wenn sein Ziel
wirklich Gretna Green war, dachte sie plötzlich, dann hatte sie ihrer Schwester
den denkbar schlechtesten Dienst erwiesen.
    Sie lehnte
sich vor und spähte aus dem Fenster, gab es aber bald auf, den Weg erkennen zu
wollen. Es war zu dunkel, und außerdem fehlte ihr der Orientierungssinn, der
ihr gesagt hätte, ob sie nun wirklich nach Norden fuhren oder nicht.
    Sie war
noch nie in einer so gut gefederten Kutsche gesessen. Nicht einmal das holprige
Kopfsteinpflaster war zu spüren. Da sie keinen Blick auf ihren Begleiter
erhaschen konnte, nahm sie an, daß er hinter dem Wagen ritt. Plötzlich fiel ihr
ein Glitzern auf, als ob sich das Mondlicht im Wasser spiegelte, und sie
beugte sich hastig aus dem Fenster. Die Kutsche überquerte eine Brücke, und als
sie die Themse erkannte, wußte sie, daß sie nach Süden reisten. Demnach brachte
er sie nicht nach Gretna Green. Sie fühlte eine sonderbare Erleichterung.
    Sobald sie
die Stadt verlassen hatten, schienen die Pferde vor Ungestüm ihr Geschirr
sprengen zu wollen. Eine kurze Zeit lang beunruhigte Mary das verrückte Tempo,
und sie rechnete jeden Moment mit einem Unfall, aber dann gewöhnte sie sich
daran und döste sogar ein

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