Georgette Heyer
bringen; und teils, weil es
für Emily unglaubwürdig war, daß ihre so gewöhnliche, gutmütige Großmama auch
nur den geringsten Einfluß auf die viel fürchterlichere Lady Laleham auszuüben
imstande sein sollte. Ihre einzige Hoffnung auf Hilfe schien in der schlanken
Person des Mr. Monksleigh zu liegen. So entsetzlich die nahende Qual auf jeden
Fall werden mußte – wenn er nur an ihrer Seite bliebe, um sie zu beschützen,
dann – so fühlte Emily – gäbe es eine wenn auch sehr schwache Aussicht, daß sie
es überlebte. Oder vielleicht vermochte er sich einen Fluchtweg auszudenken.
Der einzige Plan, den er bisher entwickelt hatte, konnte dem Zweck durchaus
nicht dienen, da sein Erfolg auf ihrer Entschlußfähigkeit basierte, die ihr,
wie sie wohl wußte, abging; aber wenn er von der unmittelbar bevorstehenden
Gefahr, in der sie sich befand, erfuhr, würde er vielleicht zu weiteren Plänen
inspiriert werden.
Ihre Hoffnung war nicht unberechtigt.
Nachdem sich Gerard im Theater umgesehen hatte und erstaunt bemerkte, daß Mrs.
Floore in einer Loge saß, eilte er in der ersten Pause die Treppe hinauf und begegnete
Mr. Gorings Gesellschaft auf ihrem Weg zum Foyer. Er empfing einen freundlichen
Gruß von Mrs. Floore, eine leichte Verbeugung von Mr. Göring und von Emily
einen so bedeutungsvollen Blick, daß er sofort erkannte, es müßte seit heute
morgen etwas Entsetzliches geschehen sein. Da Mr. Goring damit in Atem
gehalten wurde, Mrs. Floore zu einem Sitz an der Wand zu geleiten, war es für
Gerard leicht, Emily schnell an das andere Ende des Foyers zu verfrachten, wo
sie ihm halblaut und eindringlich von den Briefen erzählte, die sie bekommen
hatte, und ihn um Rat und Hilfe anflehte.
Er zeigte keinerlei Neigung, die
Gefahr zu verkleinern. Ja, er neigte eher dazu, sie zu vergrößern. Die
Nachricht, daß sein Vormund wie die rächende Nemesis nach Bath zu kommen
gedachte, durchdrang ihn mit Schrecken und ließ seinen Verstand schneller denn
je arbeiten. Emilys schüchterner Vorschlag, er solle nach Beaufort Square kommen,
um Rotherham an ihrer Seite entgegenzutreten, schob er hastig beiseite und
sagte sehr heftig: «Nutzlos!»
Emily rang die Hände. «Dann werden
sie mich dazu bringen, daß ich tue, was sie sagen! Ich kann nicht – ich kann
ihnen einfach nicht sagen, daß ich nicht will, Gerard! Oh, glaubst du, daß Mama
und Lady Serena vielleicht doch recht haben und es nicht ganz so schrecklich
sein wird, mit Lord Rotherham verheiratet zu sein?»
«Nein», sagte Gerard überzeugt. «Es
wäre noch viel schlimmer, als du dir auch nur im Traum vorstellen kannst! Ich
sage dir das eine, Emily, Rotherham ist ein Tyrann! Er wird dich ganz nach
seinem Willen unterjochen. Ich habe allen Grund, das zu wissen! Du kannst ihn
ja noch nicht in einem seiner Wutanfälle erlebt haben, mein armer Liebling! Da
ist er vollkommen unbeherrscht! Seine Diener leben alle in Schrecken vor ihm,
und mit gutem Grund!» Er sah, daß sie totenbleich geworden war, und nützte
seinen Vorteil aus. «Du darfst ihm überhaupt nicht erst begegnen! Es wäre alles
verloren, wenn du in die Reichweite dieses – dieses rücksichtslosen Despoten
gerietest! Emily – wir müssen durchbrennen!»
Man konnte nicht erwarten, daß sie
die Vorteile dieses Kurses sofort einsehen würde. Ja, sie war sogar entsetzt
über einen solchen Vorschlag, aber nachdem Gerard sie mit einer Aufzählung
seiner eigenen Leiden von seiten Rotherhams und mit einigen großzügigen Prophezeiungen
der Schrecken, die sie erwarteten, erquickt hatte und erklärte, er sei einfach
unfähig, sich auszumalen, wie groß die Wut des Marquis oder ihre Auswirkungen
sein würden, sobald er entdeckt haben würde – und entdecken würde er es –, was
sich in Bath abgespielt hatte, war sie bereit, jeder Maßnahme zuzustimmen, die
sie von ihren Leiden der Andromeda retten konnte. Die Leute verließen das Foyer
allmählich; bevor sich Mrs. Floore auf Emily stürzte, hatte Gerard gerade noch
Zeit, ihr einzuschärfen, ihrer Großmutter nur ja kein Wörtchen zu verraten,
hingegen ihn am nächsten Morgen um zehn Uhr am Queen's Square zu treffen.
«Überlasse nur alles mir!» befahl er. «Sobald du einmal in meiner Obhut bist,
bist du gerettet!»
Diese etwas großartigen Worte waren
Musik für Emilys Ohren. Von Natur aus unselbständig, war sie nur zu froh, ihre
Sorgen auf seine Schultern abwälzen zu können; und nun, da er aufgehört hatte,
ihr zu raten, sie solle ihrem Tyrannen
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