Georgette Heyer
langweilige
Angelegenheiten, die zu lange vernachlässigt wurden! Aber meine Mutter fühlt
sich ziemlich schlecht!» sagte der Major, der nach einer Ausrede fischte; zum
erstenmal im Leben war er froh, daß die Hauptzerstreuung seiner Mutter darin
bestand, unfehlbare Symptome eines tiefsitzenden Übels an sich zu suchen.
«Das tut mir aber leid», sagte
Serena mit schnell geweckter Anteilnahme. «Hoffentlich keine ernste
Krankheit?»
«Ich glaube nicht – das heißt, ich
vermute, nein! Der Arzt sollte heute vormittag kommen.»
«Ich würde mich nicht wundern, wenn
Bath daran schuld wäre. Im Frühling war es hier erträglich, aber im Sommer kann
ich mir keine Stadt vorstellen, die erschlaffender wirkte. Ich weiß, daß sie
Fanny auch nicht bekommt. Hast du bemerkt, wie zermürbt sie aussieht? Sie sagt,
dieses drückende Wetter ohne einen Luftzug, das wir nun schon seit Wochen
haben, mache sie völlig benommen. Ich kann sie durchaus verstehen – du nicht
auch? Ich spüre es selbst. Alles scheint gräßlich erschöpft zu sein, und man
ist in einer derart flauen Stimmung, daß man ganz bösartig wird. Das heißt, ich
werde ganz bös! Fanny war noch nie im Leben bösartig!»
«Bös magst du vielleicht sein, aber
in flauer Stimmung bestimmt nicht!» sagte er lächelnd.
«Also dann halt deprimiert und
zapplig!» Sie schaute zu ihm auf, während sie sprach, und sah, daß er sie
leicht bekümmert anschaute. Sie ließ die Hand in seinen Arm gleiten und sagte
scherzend: «Das darfst du als ein Kompliment auffassen, bitte sehr! Fünf Tage
lang warst du weg! Es ist das reinste Wunder, daß ich nicht in Lethargie
verfallen bin. Das wäre ich übrigens bestimmt, wenn es mich nicht in Atem
gehalten hätte, nachzudenken, wie schäbig ich behandelt wurde und wie ich dich
am besten dafür bestrafen könnte!»
«Hast du mich vermißt?» fragte er.
«Sehr – es war todlangweilig! Ich
hoffe, du hast mich auch vermißt – es wäre schlimm, wenn ich allein gelitten
hätte!»
Er antwortete in ähnlichem Ton und
verbrachte den Rest des Weges nach Laura Place, indem er ihr von den geplanten
Änderungen an seinem Haus erzählte. Er trennte sich vor der Haustür von ihr.
Sie lud ihn ein, hereinzukommen und an einem Mittagsimbiß teilzunehmen, aber
obwohl er sich danach sehnte, Fanny zu sehen, wußte er, daß er sie so selten
wie möglich sehen durfte, und lehnte ab, indem er sagte, er habe seiner Mutter
versprochen, nach einer Stunde heimzukommen.
«Dann will ich dich natürlich nicht
drängen. Bitte, richte Mrs. Kirkby alles Liebe aus und sage ihr, wie leid es
mir tut, daß sie sich nicht wohl fühlt!»
«Danke, das werde ich. Reiten wir
morgen aus, Serena?»
«Ja, freilich! Wirst du – oh,
verflixt! Ist morgen Mittwoch? Dann kann ich nicht. Ich habe versprochen, mit
Emily zum Farley Castle zu fahren. Aber fahr mit mir statt dessen nachmittags
aus!»
«Herzlich gern! Wann?»
«Etwas vor drei Uhr? Das heißt, wenn
dich Mrs. Kirkby mir überläßt.»
«Natürlich wird sie das. Ich werde
hier sein!» versprach er.
Sie betrat das Haus und ging die
Treppe zum Salon hinauf, wo Fanny vor ihrem Stickrahmen saß. Sie schaute auf
und lächelte, als Serena hereinkam, aber ihre Augen waren trübe und die Wangen
ziemlich blaß. Serena sagte schnell: «Fanny, hast du schon wieder Kopfweh?»
«Nicht der Rede wert! Nur ganz, ganz
wenig. Ich werde mich gleich hinlegen, und da wird es bald vorbei sein.»
Serena blickte etwas besorgt auf sie
nieder. «Du schaust total erschöpft aus! Sag, Liebes, möchtest du nicht lieber
von Bath weggehen? Man muß ja zu kränkeln anfangen, so bedrückend ist es hier.
Sollen wir ins Dower House zurückkehren?»
«Nein, nein!» sagte Fanny.
«Wirklich, ich bin nicht krank, Liebste! Wenn nur die Sonne wieder scheinen
wollte, bestimmt wäre ich sofort wieder glänzend beisammen. Ich weiß nicht, wie
das kommt, aber von diesem schwülen, trüben Wetter bekomme ich immer Kopfweh.»
«Wir haben dieses Haus nur bis Ende
August gemietet», beharrte Serena auf ihrem Vorschlag. «Warum nicht schon jetzt
wegfahren? Sagst du nein, weil du glaubst, ich will Hector nicht verlassen? Sei
aufrichtig, Fanny! Wenn du es möchtest, gehe ich schon morgen.»
«Liebe, liebste Serena!» sagte
Fanny, ergriff Serenas Hand und schmiegte ihre Wange daran. «Du bist so gut zu
mir! So schrecklich gut!»
«Na aber, was in der Welt soll denn
das heißen?» spottete Serena. «Langsam glaube ich, daß du kränker bist, als ich
es
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