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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena und das Ungeheuer
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was Lord
Rotherham von solchen Manieren halten muß.»
    Damit aber begab er sich in das
Kreuzfeuer zweier Augenpaare, das eine voll wütenden Erstaunens, das andere
voll grausamen Spotts.
    «Nun, darüber kannst du dir durchaus
klar sein!» sagte Rotherham.
    «Ich jedenfalls», sagte Dorrington
mürrisch, «halte es für sehr seltsam von meinem armen Schwager, wirklich sehr
sonderbar! Man hätte angenommen – aber er war ja schon immer so! Exzentrisch!
Ich finde kein anderes Wort dafür.»
    Das reizte Mr. Eaglesham dazu, Seine
Lordschaft voll Empörung darauf hinzuweisen, daß dessen Verwandtschaft zum
verstorbenen Earl nur sehr entfernt war. Er war so frei, ihm zu sagen, daß es
andere gab, deren Anspruch darauf, zum Testamentsvollstrecker ernannt zu
werden, viel größer war als der seine. Die roten Wangen Lord Dorringtons
liefen so erschreckend purpurrot an, daß Spenborough hastig sagte, ihm
persönlich sei die Ernennung Lord Rotherhams durchaus genehm, wie immer sie die
anderen auffassen mochten.
    «Sehr liebenswürdig von dir!» sagte
Rotherham über die Schulter, als er quer durch das Zimmer zu Fanny ging, die
noch immer nervös neben ihrem Stuhl stand. «Kommen Sie! Warum setzen Sie sich
nicht?» sagte er in seiner kurz angebundenen, rauhen Art. «Sie werden doch
bestimmt ebenso wie wir alle froh sein, wenn diese Angelegenheit erledigt
ist!»
    «O ja! Danke!» murmelte sie. Sie
schaute flüchtig zu ihm auf, als sie sich niedersetzte, und stammelte: «Es tut
mir sehr leid, wenn es Ihnen unangenehm ist. Ich fürchte
wirklich, es wird Ihnen viel Mühe bringen!»
    «Nicht sehr wahrscheinlich:
zweifellos wird sich Perrott um alles kümmern.» Er zögerte und fügte dann noch
brüsker hinzu: «Ich sollte Ihnen mein Beileid aussprechen. Erlassen Sie es mir,
bitte! Ich bin nicht sehr geschickt mit höflichen Unaufrichtigkeiten und glaube
zu Ihrer Ehre, Sie wollen gar nicht als untröstlich dastehen.»
    Sie war ganz vernichtet, als er sie
verließ; er ging zu einem Stuhl neben dem Fenster, an dem Serena saß. Diese
nützte den Augenblick, da Sir William Claypole eben die Aufmerksamkeit seiner
Tochter beanspruchte, und sagte: «Du könntest ihr wenigstens zugestehen, daß
sie einen ganz natürlichen Kummer empfindet!»
    «Aus Pflichtgefühl.»
    «Sie war meinem Vater sehr
aufrichtig zugetan!»
    «Schon, das gestehe ich ihr zu. Aber
von diesem Gefühl wird sie sich bald erholen und müßte schon sehr unaufrichtig
sein, wenn sie nicht erleichtert wäre, von höchst unnatürlichen Banden befreit
zu sein.» Er blickte sie unter dem dicken Strich seiner schwarzen Brauen hervor
an, und seine Augen glitzerten spöttisch. «Doch, du bist auch meiner Meinung,
nur willst du es nicht zugeben. Wenn schon Mitgefühl von mir erwartet wird,
dann gilt es dir. Du tust mir leid, Serena – dich trifft es hart.»
    Weder Stimme noch Ausdruck waren
weich, aber sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, daß er es aufrichtig
meinte. «Danke. Ich glaube, es wird mir ganz erträglich gehen, sobald ich mich
einmal – ein bißchen mehr daran gewöhnt habe.»
    «Ja, wenn du nicht irgendeine
Dummheit begehst. Dagegen allerdings möchte ich keinen roten Pfennig wetten.
Schau mich nicht so durchbohrend an! Das wirkt nicht auf mich.»
    «Wenigstens unter diesen Umständen
könntest du mich mit deinem Spott verschonen!»
    «Erst recht nicht. Mit mir streiten
rettet dich davor, in Trübsinn zu verfallen.»
    Sie würdigte ihn keiner Antwort,
sondern wandte sich ab und schaute wieder zum Fenster hinaus; und er, sowohl
der Abfuhr wie ihrem Ärger gegenüber unempfindlich, rekelte sich in seinem
Stuhl zurecht und musterte höhnisch die übrige Gesellschaft.
    Von den sechs anwesenden Herren sah
er am wenigsten wie ein Trauergast aus. Sein schwarzer Rock, den er
hochgeknöpft trug, stand in seltsamem Gegensatz zu dem Halstuch, das er in der
ihm eigentümlichen sportlichen Art geknüpft hatte; und sein Benehmen ließ alle
Feierlichkeit vermissen, die die älteren Mitglieder dieser Versammlung
auszeichnete. Seinem Aussehen nach vermochte man sein Alter nicht zu schätzen;
in Wirklichkeit war er Ende Dreißig, mittelgroß, sehr kräftig gebaut, mit
breiten Schultern, einem mächtigen Brustkasten und Schenkeln, die viel zu
muskulös waren, um bei der herrschenden Mode der hautengen Beinkleider
vorteilhaft zu wirken. In diesem Aufzug erschien er allerdings nur selten, für
gewöhnlich trug er Schaftstiefel und Reithosen. Seine Röcke waren sehr gut
geschnitten,

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