Georgette Heyer
Angelegenheit
leidenschaftslos betrachtend, hinzu, «daß du viel hübscher bist als ich, doch
andrerseits verfüge ich über eine ziemlich große Ausdrucksfähigkeit und bin
außerdem dunkel, was viel moderner ist, so daß ich es nicht übertrieben
übelnehme, daß du schöner bist.»
Darüber
mußte Nell herzlich lachen, doch in Erinnerung an Miss Wilbys Lehren riskierte
sie es einzuwenden, daß Lettys Aufrichtigkeit denn doch ein wenig unschicklich
sei.
«Das ist
genau das, was Tante Chudleigh immer sagt», bemerkte Letty völlig
uneingeschüchtert. «Ich für meinen Teil sehe nichts Unschickliches darin, die
Wahrheit zu sagen. Und du kannst nicht leugnen, daß es die Wahrheit ist!» Sie
setzte sich neben Nell bequem zurecht und spannte einen Sonnenschirm auf. «Wir
bieten nämlich ein vollendetes Bild», sagte sie wohlgefällig.
«Ich nehme
an, daß dir das Lord Hardwick sagte.»
«Alle sagen es mir.»
«Paß nur
auf, daß sie dir nächstens nicht sagen, du seiest schrecklich eingebildet»,
riet Nell.
«Das werden
sie ganz bestimmt nicht», sagte Letty zuversichtlich. «Zumindest niemand, aus
dem ich mir etwas mache. Felix wäre imstande, so etwas zu behaupten, denn ich
habe noch nie einen so spießigen Menschen gesehen.»
Als sie
bald darauf Mr. Hethersett durch den Park schlendern sahen, konnte man in dem
Antlitz dieses Pedanten nichts als sorgfältig erwogenen Beifall lesen. Nell
befahl ihrem Kutscher, die Pferde zu zügeln, und als Mr. Hethersett an den
Wagen herantrat, lehnte sie sich vor, um ihm die Hand zu reichen. «Wie geht es
Ihnen? Ich hoffte, Sie hier zu treffen. Haben Sie die Absicht, nächste Woche
den Maskenball bei den Beadings zu besuchen? Cardross sah sich nämlich
gezwungen abzusagen: ist das nicht abscheulich von ihm? Wollen Sie mit uns
dinieren und uns an seiner Stelle auf den Ball begleiten?»
Er
schüttelte bedauernd den Kopf. «Entschuldigte mich bei Mrs. Beading. Sagte,
ich hätte eine andre Einladung. Wäre unschicklich, nachher doch hinzugehen.
Schade!»
Nell
lächelte. «Sie können mir nicht einreden, daß das Ihr Ernst ist! Gestehen Sie!
Sie verabscheuen Maskenbälle?!»
«Versuche
nicht, Ihnen etwas einzureden. Immer glücklich, Sie irgendwohin begleiten zu
dürfen. 's ist nur nicht die Art der Geselligkeit, die ich goutiere. An Ihrer
Stelle würde ich ebenfalls absagen, es wird Ihnen keine Freude machen. 's ist
nicht Ihr Stil.»
«Ich muß
schon sagen, Felix, Sie sind das dümmste Geschöpf der Welt», mischte sich jetzt
Letty ein. «Warum sollte es uns keinen Spaß machen? Es wird ein köstlicher
Mummenschanz sein, denn wir werden alle Masken tragen und ...»
«Ja, und
ungeheuer viel ausgelassen lärmende Menschen werden dort sein», unterbrach Mr.
Hethersett im Ton tiefster Mißbilligung. «Sie werden es vielleicht vergnüglich
finden. Ich sagte niemals, es würde Ihnen nicht gefallen. Ich erklärte nur, es
würde Lady Cardross mißfallen. Wollen Sie übrigens einen Rat von mir, Cousine?»
«Nein»,
sagte Letty ärgerlich.
«Irrtum»,
sagte er kopfschüttelnd. «Sagte kein Wort, Ihre Toilette sei nicht elegant: sie
ist es. Sagte nicht, daß Sie der Hut nicht vorzüglich kleidet: er tut es.» Und
jetzt trat eine ominöse Pause ein, während welcher Letty ihn mit unbehaglichen
Gefühlen ansah. Sie mochte ihn zwar wegen seiner, ihrer Ansicht nach,
veralteten Vorstellungen in allen Fragen des Dekorums verachten, doch keine
Dame, die zur eleganten tonangebenden Welt zählen wollte, konnte sich's
leisten, seine Meinung in allen Fragen der hohen Schneiderkunst zu ignorieren.
Und er sprach sein Urteil. «Ich mag diese rosa Bänder nicht. Ebensowenig wie
die Feder. Geschmacklos!»
«Geschmacklos?!»
rief sie empört. Sie warf einen Blick auf die rosa Schleifen, welche ihre
Toilette aus zartem rehfarbenem Musselin in zweifacher Reihe zierten. Sie waren
in derselben Farbe gehalten wie die Feder, die
eine Seite ihres kleinen Strohhütchens schmückte; die andre Seite war
aufgeschlagen, und das ganze Hütchen saß mit keckem Schwung auf ihren glänzend
schwarzen Locken. Französische Glacélederhandschuhe in derselben rosa Farbe
vervollständigten eine Toilette, welche sie bis zu diesem schmerzlichen
Augenblick für den dernier cri gehalten hatte. Zweifel bemächtigten sich nun
ihrer Seele; sie wandte ihren gequälten Blick wieder ihrem Cousin zu. «Das ist
nicht wahr! Sie sagen das nur, um mich zu ärgern!»
«Habe
keinen Wunsch, Sie zu ärgern. Glaubte lediglich, Sie wollen
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