Georgette Heyer
Ich
verspreche es. Wie wäre es, wenn wir Jeremy mitnähmen würden? Ich glaube, er
wäre sehr froh, hingehen zu können, und bei ihm kannst du sicher sein, daß er
sich mit aller Schicklichkeit der Welt betragen würde, denn selbst Giles gibt
zu, daß er ein vollendeter Gentleman ist.»
«Sei doch
nicht so lächerlich», bat Nell. «Er sagte dir doch selbst, er habe keine
Einladung erhalten, und ich will gern glauben, daß er zu wohlerzogen ist, um
einen Ball zu besuchen, für den er keine Einladung erhalten hat. Außerdem weißt
du genau, daß ich ihn nie einladen könnte, da es Giles ganz besonders
mißbilligen würde.»
Letty nahm
diesen abschlägigen Bescheid philosophisch hin und sagte in resigniertem Ton:
«Ich glaube auch, daß er es nicht gern sähe. Tja, was sollen wir also tun?
Bitte sag ja nicht, du könntest nicht gehen, wenn Giles nicht geht, denn unter
allen altmodischen Vorstellungen ...»
Nell
errötete. «Aber keineswegs. Ich meine, ich habe nicht die geringste Absicht,
etwas dergleichen zu sagen. Mir fällt nur im Augenblick keiner unserer
Bekannten ein, den ich ...» Sie hielt inne, als ihr bekümmerter Blick auf zwei
Reiter fiel, die ihnen soeben entgegenkamen. Ihre Augen blitzten freudig auf
und sie rief: «Dysart!»
«Genau der
richtige Kavalier», erklärte Letty enthusiastisch. «Nun kannst du beruhigt
sein.»
Dieser
Optimismus schien allerdings einige Minuten lang schlecht angebracht. Der
Viscount, der auf einem nervösen jungen Vollblutfuchs saß, den gerade in dieser
Stunde zu bewegen, wenn im Park der dichteste Verkehr herrschte, wenige Reiter
Lust gehabt hätten, reagierte bereitwillig genug auf das Zeichen seiner
Schwester. Er lenkte sein widerwilliges Tier an die Barutsche, um mit der
ganzen Ungezwungenheit des vollendeten Reiters neben ihr zu halten. Doch als
sie ihn fragte, ob er eine Einladung zu dem Maskenball der Beadings erhalten
habe, erwiderte er: «Ja, doch ich habe nicht die geringste Absicht hinzugehen.»
«Ach, Dy,
du hast doch nicht etwa abgesagt?» fragte Nell besorgt.
«Nein,
ausdrücklich abgesagt habe ich nicht», gab Dysart zu, der mit unbekümmerter
Achtlosigkeit alle, außer einigen besonders bevorzugten Einladungen, stets
unbeantwortet ließ. «Hallo, Corny! Ich muß dich meiner Schwester wohl nicht
erst vorstellen, was? Oder Lady Letitia?»
Sein
Begleiter, der sich bescheiden abseits gehalten hatte, trieb jetzt sein Pferd
vorwärts, lüftete seinen niedrigen Biberhut und verbeugte sich leicht vor den
beiden Damen. Mr. Cornelius Fancot war ein pausbäckiger junger Gentleman,
etwas jünger als der Viscount, dessen ergebener Anhänger er war, seitdem sich
die beiden in Harrow kennengelernt hatten. Dort wurde ihm der Vorzug zuteil,
seinem blendenderen Freund bei den verschiedensten hirnrissigen Unternehmungen
Beistand und Hilfe leisten zu dürfen; später war er ihm von unschätzbarem Wert,
als es galt, sich in angemessener Weise der Merkurstatue zu entledigen, die
sie aus dem Hof der Christ Church entfernt hatten. Und wenn er niemals
versuchte, weder in Oxford noch seit beide von dieser Quelle der Gelehrsamkeit
zurückgekehrt waren, Dysarts berühmtere Heldentaten zu übertreffen – was auch
die Streiche einschloß, einen vollkommen Fremden in einem Gasthof mit einem
Esel ins Bett zu legen und mit einem Jagdpferd über eine mit Tellern, Silber,
Gläsern und Kerzenleuchtern gedeckte Tafel hinwegzusetzen –, konnte er für
sich selbst, neben dem Ruf, nie eine Wette auszuschlagen, doch die
bemerkenswerte Ruhmestat anführen, die ganze Länge von Piccadilly auf Stelzen
zurückgelegt zu haben; außerdem hatte er eine Wette gewonnen, daß er nach Dover und
wieder zurück nach London reisen werde, ehe sein optimistischer Herausforderer
es fertiggebracht hatte, auf einem Papierbogen nach dem andern eine volle
Million Punkte zu setzen. Ungleich seinem edlen Freund befand er sich im Besitz
eines beträchtlichen Vermögens. Es belasteten ihn auch keine näheren
Angehörigen, außer einigen Tanten, deren Ermahnungen er keinerlei Beachtung
schenkte, und verschiedene Cousins, die er ohne zu zögern als einen Haufen
Schlafmützen abtat. Seine ganze Erscheinung ließ den Sportsmann erkennen, doch
seine Sehnsucht, einem Dandy zu gleichen, verriet sich in seinen mit
Steifleinen ausgepolsterten Schultern, seinem reichlich verschnürten und mit
Troddeln versehenen polnischen Rock und durch eine Brummell-Krawatte, die er
um seinen etwas zu kurzen Hals geschlungen hatte. Stets
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