Georgette Heyer
ist!»
«Das
bezweifle ich», sagte Seine Gnaden und nahm eine Prise.
«Aber sieh
sie dir doch an!» drang Armand in ihn. «Der ganze Henri! Henri, wie er leibt
und lebt, nun, da ich die beiden nebeneinander sehe!»
«Findest
du?» fragte Seine Gnaden. «Ich halte sie für weitaus hübscher als den
heißgeliebten Grafen und verfeinerter im Typus.» Armand schüttelte seinen Arm.
«Wer ist
sie?»
«Mein
lieber Armand, da ich nicht die leiseste Absicht habe, es dir zu sagen,
umklammere gefälligst meinen Arm nicht so wild.» Er löste Armands Hand von
seinem Ärmel und glättete die Seide. «So. Du wirst gut daran tun, mein Freund,
meinem Mündel gegenüber blind und taubstumm zu sein.»
«Ach so?»
Armand blickte ihn forschend an. «Ich wollte, ich wüßte, was du spielst. Sie
ist seine Tochter, Justin! Ich möchte es beschwören!»
«Es würde
weitaus besser sein, wenn du nichts dergleichen tust, mein Lieber», sagte Seine
Gnaden. «Überlaß es mir, dieses Spiel zu Ende zu bringen. Es wird nicht zu
deinem Schaden sein.»
«Aber ich
verstehe nicht! Ich kann mir nicht vorstellen, was du mit ...»
«Dann
versuch's auch nicht, Armand. Ich habe gesagt, es wird nicht zu deinem Schaden
sein.»
«Ich soll
den Taubstummen spielen? Aber ganz Paris wird bald davon reden!»
«Das glaube
ich auch», bestätigte Seine Gnaden.
«Henri
wird's nicht gerne hören», überlegte Armand. «Aber ich sehe nicht, wie es ihm
schaden könnte. Warum also ...»
«Mein
Lieber, das Spiel ist komplizierter, als du glaubst. Bleib lieber draußen, laß
dir versichern.»
«Na schön!»
Armand biß sich in den Finger. «Ich kann mich wohl darauf verlassen, daß du
Henri beikommen wirst. Du liebst ihn gewiß so sehr wie ich, hein?»
«Etwas
weniger», sagte Seine Gnaden und schritt langsam auf das Sofa zu, wo Léonie
saß. Er verbeugte sich vor Madame de Saint-Vire.
«Ihr
Diener, Madame. Wieder einmal begegnen wir einander in diesem äußerst zugigen
Salon. Hochgeschätzter Graf!» Er verneigte sich vor Saint-Vire. «Sie erneuern
die Bekanntschaft mit meinem Mündel?»
«Wie Sie
sehen, Duc.»
Léonie
hatte sich erhoben und stand nun neben Seiner Gnaden. Er nahm ihre Hand und
blickte die Comtesse spöttisch an.
«Mir wurde
das Glück zuteil, meinen lieben Freund vor einem knappen Monat an einem
äußerst unvermuteten Ort anzutreffen», berichtete er ihr. «Wir beide waren,
wenn ich mich recht erinnere, auf der Suche nach einem – äh –
verlorengegangenen Besitz. Ein recht merkwürdiges Zusammentreffen, finden Sie
nicht? Es scheint in diesem köstlichen Lande einige arge Schurken zu geben.» Er
zog seine Schnupftabakdose hervor und sah, wie dem Grafen das Blut zu Kopf
stieg.
Da erschien
der Vicomte de Valmé, hinter seiner breiten Hand ein Gähnen verbergend.
«Ihr
reizender Sohn», schnurrte Avon.
Madame
stand rasch auf, eines der Stäbchen ihres Fächers knickte unter den rastlosen
Fingern ein. Ihre Lippen bewegten sich tonlos», sie fing einen Blick ihres
Gatten auf und schwieg.
Der Vicomte
verbeugte sich vor Seiner Gnaden und sah Léonie bewundernd an.
«Ihr
Diener, Duc.» Er wandte sich an Saint-Vire. «Ich bitte mich vorzustellen.»
«Mein Sohn,
Mademoiselle de Bonnard!» sagte Saint-Vire schroff.
Léonie
knickste, den Vicomte fest ins Auge fassend.
«Sie sind,
wie gewöhnlich, ennuyé, Vicomte?» Avon verstaute seine Schnupftabakdose.
«Sie sehnen sich nach dem Lande und – einem Bauernhof,
war's nicht so?»
Der Vicomte
lächelte. «Oh, M'sieur, sprechen Sie nicht von diesem meinem
närrischen Wunsch! Dies schmerzt meine Eltern.»
«Sicherlich
doch eine überhaus – äh – lobenswerte Ambition?» näselte Avon.
«Wollen wir hoffen, daß Sie sie eines Tages verwirklichen können.» Er neigte
sein Haupt, bot Léonie den Arm und wandelte mit ihr die
lange Galerie hinab.
Léonies
Finger umklammerten seinen Ärmel.
«Monseigneur,
ich erinnere mich! Blitzartig kam es mir in den Sinn!»
«Welches 'es',
mein Kind?»
«Dieser
junge Mann, Monseigneur, wir trafen ihn schon, als ich noch ein Page
war, und es wollte mir nicht einfallen, wem er ähnlich sah. Doch eben fiel's
mir ein! Er gleicht Jean. Finden Sie es nicht lächerlich?»
«Äußerst
lächerlich, ma fille. Wiederhole dies, ich bitte dich, vor niemandem.»
«Nein,
Monseigneur, natürlich nicht. Ich bin jetzt sehr verschwiegen, wissen
Sie.»
Avon sah
Condé in der Ferne mit den Veilchen am Rock und lächelte leicht.
«Ich wußte
es nicht, Kind, noch habe
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