Georgette Heyer
ich Anzeichen von Verschwiegenheit an
dir bemerkt, doch lassen wir's hingehen. Wo mag denn Fanny sein?»
«Sie
spricht mit Monsieur de Penthièvre, Monseigneur. Ich glaube, sie gefällt
ihm riesig! Da ist sie. Sie sieht sehr vergnügt aus – wahrscheinlich hat ihr
Monsieur de Penthièvre gesagt, sie sei genauso schön, wie sie's mit neunzehn
war.»
Avon hob
sein Lorgnon.
«Mein Kind,
du wirst geradezu scharfsinnig. Kennst du denn meine Schwester
so gut?»
«Ich habe
sie sehr gern, Monseigneur», beeilte sich Léonie hinzuzufügen.
«Das
bezweifle ich nicht, ma fille.» Er blickte zu Fanny hinüber, die stehengeblieben
war, um mit Raoul de Fontanges zu sprechen. «Trotzdem ist es
recht erstaunlich.»
«Aber sie ist
doch so gütig zu mir, Monseigneur. Natürlich ist sie manchmal
sehr a...» Léonie brach ab, den Herzog unsicher anblickend.
«Ich bin
völlig deiner Meinung, Kind. Sehr albern», bestätigte Seine Gnaden
unerschüttert. «Nun, Fanny, können wir jetzt aufbrechen?»
«Genau das,
was ich dich fragen wollte!» sagte Milady. «Welch ein Gedränge! Oh, liebster
Justin, de Penthièvre hat mir Dinge anvertraut! Ich bin ganz rot geworden!
Worüber lächelt ihr? Meine Liebe, was hatte dir Madame de Saint-Vire zu sagen?»
«Sie ist verrückt»,
erwiderte Léonie voll Überzeugung. «Sie sah aus, als würde sie weinen wollen,
und mir war keineswegs behaglich zumute. Oh, da ist Rupert! Rupert, wo warst
du?»
Rupert
grinste.
«War meiner
Treu drüben im kleinen Salon eingeschlafen. Was, gehen wir endlich? Gott sei
gepriesen!»
«Eingeschlafen?
Oh, Rupert!» rief Léonie. «Es war doch so amüsant! Monseigneur, wer ist diese
hübsche Dame dort?»
«Pst, Kind,
das ist die Pompadour!» wisperte Fanny. «Willst du sie ihr vorstellen, Justin?»
«Nein,
Fanny, das will ich nicht», erwiderte Seine Gnaden sanft.
«So ein
Hochmut», bemerkte Rupert. «Laßt uns um Gottes willen gehen, bevor sich alle
diese grünen Jungen wieder um Léonie zu scharen beginnen.»
«Aber,
Justin, wird das nicht schaden?» fragte Milady. «Sie wird wahrscheinlich Anstoß
nehmen.»
«Ich bin
kein französischer Trabant», sagte Seine Gnaden. «Und deswegen werde ich mein
Mündel nicht der Mätresse des Königs vorstellen. Ich glaube, Léonie wird ohne
das Lächeln oder den Groll der Dame ihr Auskommen finden.»
«Aber,
Monseigneur, ich würde so gerne ...»
«Kind, du
wirst doch nicht mit mir streiten wollen.»
«Oh, und
wie sie das will!» sagte Rupert, sotto voce.
«Nein,
Monseigneur. Aber ich möchte ...»
«Still,
mein Kind.» Avon führte sie zur Tür. «Begnüge dich damit, Ihren Majestäten
vorgestellt worden zu sein. Sie sind vielleicht nicht so mächtig wie die
Pompadour, aber sie sind von unvergleichlich besserer Abstammung.»
«Um Himmels
willen, Justin!» rang Milady nach Atem. «Wenn man dich hört!»
«Denk doch
an uns!» flehte Rupert ihn an. «Wenn du deine Zunge nicht zügelst, kommen wir
alle hinter Schloß und Riegel oder werden aus dem Land gejagt.»
Avon wandte
den Kopf.
«Dächte
ich, daß nur die geringste Chance bestünde, dich hinter Schloß und Riegel zu
setzen, Junge, würde ich meine Bemerkungen allen Leuten, die diesen überfüllten
Raum bevölkern, ins Gesicht schreien», sagte er.
«Sie sind
aber heute gar nicht guter Laune, Monseigneur», sagte Léonie
vorwurfsvoll. «Warum darf ich nicht der Pompadour vorgestellt werden?»
«Weil sie»,
erwiderte Seine Gnaden, «nicht genug – äh – respektabel ist, Kind.»
27
MADAME
DE VERCHOUREUX GREIFT EIN
Und Paris begann zu reden, anfangs im
Flüsterton, dann immer lauter und öffentlicher. Paris entsann sich eines alten,
uralten Skandals und sagte, der englische Herzog habe eine illegitime Tochter
Saint-Vires adoptiert, um sich für vergangenen Schimpf zu rächen. Paris fand,
es müsse Saint-Vire beträchtlichen Verdruß bereiten, seine Tochter im Besitz
seines erbittertsten Feindes zu wissen. Paris fragte sich, was der englische
Herzog mit Mademoiselle de Bonnard vorhatte, ohne des Rätsels Lösung finden zu
können. Paris schüttelte den Kopf und hielt Avons Pläne für unerforschlich, ja
wahrscheinlich für teuflisch.
Mittlerweile
rauschte Lady Fanny mit Léonie durch die Stadt und sorgte dafür, daß ihre
gesellschaftlichen Unternehmungen in dieser Saison nicht so leicht vergessen
würden. Léonie genoß all dies höchlichst, und Paris genoß sie sogar noch mehr.
An den Vormittagen pflegte sie mit Avon auszureiten; daraufhin spalteten
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