Georgette Heyer
Milady lauernd.
«Oh, ich
stelle mir vor, es wird sie interessieren», sagte Seine Gnaden und
lächelte.
Als Lady
Fanny Léonie zu Madame de Saint-Vire führte, klammerte sich
Madames Hand fest um ihren Fächer, und unter all ihrer Schminke wurde sie
totenblaß.
«Madame!»
Lady Fanny sah die verkrampfte Hand und hörte das rasche Atemholen. «So lang
ist's her, daß wir einander zum letztenmal begegneten! Ich hoffe Sie bei guter
Gesundheit anzutreffen?»
«Es geht
mir recht gut, Madame. Sie weilen mit – mit Ihrem Bruder in – Paris?» Nur
mühsam brachte Madame die Worte über die Lippen.
«Ja, ich
chaperoniere dieses Kind!» sagte Fanny. «Ist's nicht zum Lachen? Darf ich
meines Bruders Mündel vorstellen? Mademoiselle de Bonnard, Madame de
Saint-Vire!» Sie trat zurück.
Unwillkürlich
streckte Madame ihre Hand aus.
«Kind ...»
sagte sie, und ihre Stimme bebte. «Setzen Sie sich ein Weilchen zu mir,
bitte!» Und sich an Fanny wendend: «Madame, ich werde sie gardieren. Ich möchte
– ich möchte mit ihr sprechen.»
«Aber
gewiß!» sagte Fanny, sich augenblicklich zum Gehen anschickend.
Léonie
blieb zurück; sie blickte in das Antlitz ihrer Mutter. Madame ergriff ihre
Hand, die sie tätschelte und streichelte.
«Kommen
Sie, Kleines!» stammelte sie. «Dort an der Wand steht ein Sofa. Wollen Sie ein
wenig – nur ein paar Minuten lang – bei mir bleiben?»
«Ja, Madame»,
erwiderte Léonie höflich und wunderte sich, warum diese verblühte Dame so
erregt war. Es behagte ihr durchaus nicht, allein bei Saint-Vires Gattin
zurückzubleiben, doch sie trat mit ihr zum Sofa und ließ sich an ihrer Seite
darauf nieder.
Madame
schien um ihre Fassung zu ringen. Noch immer hielt sie Léonies Hand, und ihre
Augen verschlangen das Mädchen.
«Sagen Sie
mir, chérie», fragte sie endlich, «sind Sie – sind Sie glücclich?»
Léonie
erwiderte überrascht: «Aber gewiß
doch, Madame. Natürlich bin ich glücklich!»
«Ist dieser
Mann ...» Madame preßte ihr Taschentuch an die Lippen – «ist dieser Mann – gut zu
Ihnen?»
«Sie
sprechen von Monseigneur, meinem Vormund, Madame?» sagte Léonie steif.
«Ja, petite, ja. Von ihm.» Madames Hand zitterte.
«Naturellement
ist er gut zu mir»,
antwortete Léonie.
«Ach, Sie
sind verletzt, aber dennoch, dennoch – Kind, Sie sind so jung! Ich – ich könnte
Ihre Mutter sein!» Sie brach in ein rauhes Lachen aus. «Sie werden sich also
nicht an dem stoßen, was ich Ihnen sage, nicht wahr? Er – Ihr Vormund – ist
kein guter Mann, und Sie – Sie ...»
«Madame ...»
Léonie entzog ihr die Hand – «ich möchte Sie nicht kränken, verstehen Sie mich
recht, aber ich werde es nicht zulassen, daß Sie solcherart von Monseigneur
sprechen.»
«So gern
haben Sie ihn?»
«Ja,
Madame, ich liebe ihn de tout mon cœur.»
«Ah, mon Dieu!» flüsterte Madame. «Und
er – liebt er Sie?»
«Ach nein!»
sagte Léonie. «Zumindest weiß ich's nicht, Madame. Er ist nur
sehr gütig zu mir.»
Madames
Augen forschten in ihren Zügen.
«Nun gut»,
sagte sie mit einem Seufzer. «Sagen Sie mir, Kind, wie lange leben
Sie schon an seiner Seite?»
«Oh-oh, depuis
longtemps!» erwiderte Léonie ausweichend.
«Kind,
täuschen Sie mich nicht! Ich – ich werde Ihre Geheimnisse nicht
weitererzählen. Wo fand der Herzog Sie?»
«Verzeihen
Sie, Madame. Ich habe es vergessen.»
«Er gebot
Ihnen zu vergessen!» sagte Madame rasch. «Ist's nicht so?»
Jemand
näherte sich dem Sofa; Madame schrak leicht zusammen und verfiel in
Schweigen.
«Wie gut,
daß ich Sie treffe, Mademoiselle», sagte Saint-Vire. «Ich hoffe, Sie
befinden sich wohl?»
Léonie
streckte das Kinn vor.
«M'sieur?»
sagte sie unbefangen. «Ah, je me souviens! Monsieur de Saint-Vire!» Sie
wandte sich an Madame. «Ich begegnete M'sieur in – peste, fast hätte
ich's vergessen! – in Le Dennier bei Le Havre, Madame.»
Saint-Vires
Stirn umwölkte sich.
«Sie haben
ein gutes Gedächtnis, Mademoiselle.»
Léonie
fixierte ihn.
«Ja,
M'sieur. Ich vergesse niemals – jemanden!»
Keine zehn
Schritte entfernt stand Armand de Saint-Vire wie in den Boden
verwurzelt.
«Nom
d'un nom d'un nom d'un nom d'un nom!» schnappte er nach Luft.
«Dies»,
sprach eine sanfte Stimme neben ihm, «ist ein Ausdruck, dem ich noch stets
meine Bewunderung versagt habe. Er ermangelt der – äh –
Kraft.»
Armand warf
sich herum und blickte dem Herzog in die Augen. «Freund, du mußt mir sagen, wer
diese Mademoiselle de Bonnard
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