Georgette Heyer
lästig
fallen. Aber nach Paris kann ich nicht zurückkehren. Ich kann's einfach nicht!
Ich werde hier recht – recht glücclich bei M. de Beaupré leben, doch ich kann
es nicht über mich bringen, allein in die Welt zurückzukehren, in der ich mit
Ihnen gelebt habe.»
Er blickte
durch sie hindurch. Sie sah, wie sich seine Hand fest um seine Schnupftabakdose
schloß.
«Kind, du
kennst mich nicht. Du hast dir nach meinem Bilde ein mythisches Wesen
erschaffen, das du zum Gott erhoben hast. Aber es ist nicht Ich. Ich habe dir
schon oftmals gesagt, Kind, daß ich kein edler Held bin, doch du hast mir wohl
keinen Glauben geschenkt. Ich sage dir nun, daß ich kein geeigneter Gefährte
für dich bin. Zwanzig Jahre liegen zwischen uns, und diese Jahre habe ich nicht
wohl verbracht. Mein Ruf hat Schäden erlitten, die nicht wiedergutzumachen
sind, Kind. Ich entstamme einem lasterhaften Geschlecht, und ich habe dem
Namen, den ich trage, keine Ehre gemacht. Weißt du, wie mich die Leute nennen?
Ich trage einen Spitznamen, Kind, bin sogar stolz auf ihn. Keiner einzigen
Frau bin ich treu gewesen, hinter mir liegt ein schmutziger Skandal nach dem
anderen. Ich bin reich, doch in meiner Jugend habe ich ein Vermögen verschleudert,
und mein jetziges Vermögen habe ich im Spiel gewonnen. Du hast mich vielleicht
von meiner besten Seite gesehen; die schlimmste hast du nicht gesehen. Kind,
du bist eines besseren Gatten würdig. Ich möchte dich einem Jungen geben, der
reines Herzens zu dir käme, nicht einem Mann, der von der Wiege an in
Lasterhaftigkeit heranwuchs.»
Eine dicke
Träne glitzerte in ihren Wimpern.
«Ach,
Monseigneur, das hätten Sie mir nicht erst sagen müssen! Ich weiß das alles –
habe es stets gewußt, und liebe Sie dennoch. Ich will keinen Jungen. Ich will
nur – Monseigneur.»
«Léonie, du
wirst gut daran tun, es dir zu überlegen. Du bist nicht die erste Frau in
meinem Leben.»
Sie
lächelte durch ihre Tränen.
«Monseigneur,
ich würde um vieles lieber die letzte Frau als die erste sein wollen.»
«Kind, es
ist Wahnwitz!»
Sie trat
auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Arm.
«Monseigneur,
ich glaube nicht, daß ich ohne Sie leben kann. Ich brauche es, daß Sie mich
unter Ihre Obhut nehmen, daß Sie mich lieben und mich ausschelten, wenn ich maladroite bin.»
Unwillkürlich
faßte seine Hand nach der ihren.
«Rupert
wäre ein viel geeigneterer Bräutigam», sagte er bitter. Ihre Augen blitzten.
«Pah!» rief
sie zornig. «Rupert ist ein dummer Junge, genauso wie der Prinz von Condé! Wenn
Sie mich nicht heiraten, Monseigneur, will ich überhaupt niemanden heiraten!»
«Das wäre
schade», meinte er. «Mignonne, bist du – deiner sicher?» Sie nickte; ein
Lächeln umzitterte ihre Lippen.
«Oh,
Monseigneur, ich hätte nie gedacht, daß Sie so sehr blind sein könnten!» sagte
sie.
Seine
Gnaden sah ihr tief in die Augen, dann ließ er sich auf ein Knie nieder und
führte ihre Hand an seine Lippen.
«Kleines»,
sagte er sehr leise, «da du mir die Gnade schenkst, meine Frau werden zu
wollen, verpfände ich dir mein Wort, daß du in Zukunft keinen Grund haben
wirst, dies zu bereuen.»
Eine
drängende Hand zerrte an seiner Schulter. Er erhob sich und breitete seine
Arme aus. Léonie stürzte sich in sie, sie schlossen sich um sie zusammen, und
ihre Lippen trafen einander.
M. de
Beaupré war leise eingetreten und schickte sich bei dem Anblick, der sich ihm
bot, eilig an, zu verschwinden. Doch die beiden hatten das Aufgehen der Tür
gehört und fuhren auseinander.
Er lächelte
sie strahlend an.
«Eh
bien, mes enfants?»
Seine Gnaden
faßte Léonie an der Hand und führte sie ihm entgegen. «Mon père», sagte
er, «ich bitte Sie, uns zu trauen.»
«Gewiß, mon
fils», entgegnete de Beaupré mit heiterer Gelassenheit und streichelte
Léonies Wange. «Ich habe es erwartet.»
32
SEINE
GNADEN SETZT JEDERMANN ZUM LETZTENMAL IN ERSTAUNEN
«Mein lieber Graf», sagte Fanny mit der
Stimme jemandes, der lange gelitten hat, «ich habe Justin seit jener
entsetzlichen Nacht nicht mehr gesehen.»
Armand warf
die Arme hoch.
«Aber es
ist doch schon mehr als eine Woche vergangen!» rief er. «Wo ist sie? Wo ist das
Kind?»
Lady Fanny
schlug die Augen gen Himmel. Davenant übernahm es, zu antworten.
«Wenn wir's
wüßten, Armand, würden wir uns wohler fühlen, versichere ich Ihnen. Wir sahen
Avon zum letztenmal bei Madame du Deffand.»
«Wohin
wandte er sich?» forschte Armand. «Kam er überhaupt
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