Georgette Heyer
haltend, die
erhitzte und strahlende Léonie. Sie hatte Mantel und Hut abgeworfen, ihre
glänzenden Locken waren in Unordnung.
Mit einem
Aufschrei stürzte Fanny auf sie zu, unzusammenhängende Laute von sich gebend;
Rupert wirbelte seine Serviette über dem Kopf.
«Was habe
ich euch gesagt?» brüllte er. «Mademoiselle de Saint-Vire!»
Seine
Gnaden hob seine weiße Hand, ihnen Einhalt gebietend. Ein sonderbar stolzes
Lächeln lag auf seinen Lippen.
«Nein,
Rupert», sagte er und verbeugte sich leicht. «Ich habe die Ehre, euch allen –
meine Herzogin zu präsentieren.»
«Donner und
Doria!» keuchte Rupert und stürzte vorwärts.
Fanny
erreichte Léonie als erste.
«Oh, mein
Liebling, mein Leben! Ich bin ja so froh – ich kann's kaum glauben – Wo hast du
sie gefunden, Justin? O du dummes, dummes Kind! Wir waren ja so aufgeregt – Gib
mir noch einen Kuß, Liebste!»
Rupert
stieß sie beiseite.
«Hei,
kleiner Wildfang!» rief er und küßte sie herzhaft. «Justin, was für eine
Schwägerin habe ich da bekommen! Ich wußte, daß du sie finden
würdest! Aber daß ihr bereits verheiratet seid – bei Gott, das übersteigt
alles, meiner Seel!»
Merivale
drängte ihn weg.
«Meine
liebe kleine Léonie!» sagte er. «Justin, ich beglückwünsche Sie!»
Dann
drängten sich auch Marling und Davenant nach vorne. Armand packte Avons Hand.
«Und
niemand fragt mich um Erlaubnis?» fragte er voll gespielter Würde.
Avon
schnippte mit den Fingern.
«Soviel
schere ich mich um deine Erlaubnis, lieber Armand», sagte er und blickte zu
Léonie hinüber, die von der geräuschvollen Familie umringt war.
«Wo war
sie?» Armand zupfte ihn am Ärmel.
Seine
Gnaden beobachtete noch immer Léonie.
«Wo sie
war? Wo ich sie vermutet hatte. In Anjou, bei dem Pfarrer, von dem ich sprach»,
sagte er. «Nun, Fanny? Habe ich deine Billigung?» Sie umarmte ihn.
«Liebster,
es ist das, was ich seit Monaten für dich plante! Aber so im geheimen zu
heiraten, während ich von einer wahrhaft glanzvollen Hochzeit geträumt hatte!
Das ist zu schlimm! Liebes, liebes Kind! Ich könnte heulen vor Freude!»
Plötzlich
trat Stille ein. Auf der Schwelle stand, zurückscheuend, Madame de Saint-Vire,
die Augen auf Léonie geheftet. Eine Zeitlang herrschte peinliches Schweigen.
Dann trat Léonie auf sie zu und streckte ihr mit anmutigem Zögern die Hand
entgegen.
«Ma – mère?» sagte sie.
Madame wurde
von Schluchzen geschüttelt und umklammerte sie. Léonie legte ihr den Arm um die
Taille und führte sie ruhig aus dem Zimmer.
Fanny
förderte ihr Taschentuch zutage.
«Das liebe,
süße Kind!» sagte sie heiser.
Davenant
umfaßte Avons Hand und schüttelte sie.
«Justin,
ich finde keine Worte, um dir zu sagen, wie froh ich bin!»
«Wie unerwartet,
lieber Hugh», näselte Seine Gnaden. «Ich machte mich bereits auf ein
bekümmertes Kopfschütteln gefaßt!»
Hugh
lachte.
«Nein,
nein, diesmal nicht, mein Freund! Nun hast du endlich gelernt, jemand anderen
mehr zu lieben als dich, und ich glaube, daß du deiner Herzogin ein guter Gatte
sein wirst.»
«Es liegt
in meiner Absicht», sagte Seine Gnaden und schlüpfte aus dem Mantel. Ein
rosiger Schimmer lag auf seinen Wangen, aber er hob ganz in der alten Weise
sein Lorgnon und sah sich im Raum um. «Mein Haus scheint bemerkenswert voll von
Leuten zu sein», sagte er. «Wär's möglich, daß man uns erwartet hat?»
«Erwartet?»
wiederholte Rupert. «Hol mich der Teufel, das ist gut! In den letzten zehn
Tagen haben wir überhaupt nichts anderes getan als warten, laß dir sagen! Für
dich ist's ja schön und gut gewesen, nach Anjou zu jagen, aber für uns war's
ein armseliger Sport. Armand schoß wie ein Springteufel herein und heraus, oben
lag Madame in ihrer Nervenkrise, und halb Paris drängte sich zu uns, um hier
herumzuschnüffeln – das Haus ist ein veritabler Ameisenhaufen geworden.
Merivale, glaube ich, verbringt seine Nächte noch bei de Châtelet, denn ich
sehe ihn nicht beim Frühstück, Gott sei Dank!»
«Was mich
interessiert, ist folgendes», sagte Merivale, Rupert ignorierend. «Haben Sie
den ganzen Weg nach Anjou in diesem ungeheuerlichen goldenen Anzug
zurückgelegt?»
«Meiner
Treu, da muß die Landbevölkerung geglotzt haben!» kicherte Rupert.
«Nein,
meine Freunde, nein», seufzte Seine Gnaden. «Beim ersten Aufenthalt tauschte
ich ihn gegen eine angemessenere Gewandung ein. Armand, ist alles wohlauf?»
«Durchweg,
Justin! Meine Schwägerin legte ein Geständnis
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