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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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Kunstfertigkeit mühsam eingetrichtert
worden war. Es fehlte der Schliff, eine leichte Tölpelhaftigkeit war
unverkennbar.
    «Ihr
Diener, M'sieur.» Die Stimme war angenehm, wenn auch nicht einschmeichelnd.
    «Mein
lieber Vicomte!» Avon wedelte mit seinem Taschentuch. «Ich bin hochentzückt,
Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich erinnere mich Ihrer, als Sie sich noch in der
Obhut Ihres Hofmeisters befanden, doch in den letzten Jahren war mir das
Vergnügen versagt, Ihnen zu begegnen. Léon, einen Stuhl für M'sieur.»
    Der Page
schlüpfte hinter dem Sofa hervor und holte einen niederen Sessel, der in
einiger Entfernung an der Wand stand. Er rückte ihn mit einer Verbeugung für
den Vicomte zurecht.
    «Wollen
M'sieur bitte Platz nehmen?»
    Der Vicomte
blickte ihn überrascht an. Einen Moment lang standen die beiden Schulter an
Schulter nebeneinander, der eine schlank und zierlich, mit Augen, die den
Saphiren um seinen Hals nichts nachgaben; leuchtende Locken umgaben eine weiße
Stirn, durch deren Haut die Adern in zartem Blau schimmerten. Der andere war
gedrungen und dunkelhäutig, mit breiten Händen und einem Stiernacken; trotz
Puder, Parfum und Schönheitspflästerchen, trotz seiner Seiden- und Sammetpracht
wirkte er wie ein ungeschlachter Tölpel. Avon vernahm, wie Madame tief und
schnell Atem holte, und sein Lächeln verstärkte sich. Léon begab sich auf
seinen früheren Platz zurück, und der Vicomte setzte sich.
    «Ihr Page,
M'sieur?» fragte er. «Sie sagten eben, daß Sie mir noch nicht begegnet sind,
nicht wahr? Sehen Sie, ich liebe Paris nicht, und sooft mein Vater es
gestattet, halte ich mich in der Champagne, in SaintVire, auf.» Er lächelte
und blickte zerknirscht zu seiner Mutter hinüber. «Meine Eltern sehen es zwar
nicht gerne, wenn ich auf dem Lande bin, M'sieur. Ich bin ihr Sorgenkind.»
    «Das Land
...» Der Herzog klappte seine Schnupftabakdose auf. «Es wirkt zweifellos
erfreulich auf das Auge, doch in meiner Vorstellungswelt steht es unweigerlich
mit Kühen und Schweinen und Schafen in Verbindung, notwendigen aber peinlichen
Übeln.»
    «Übeln,
M'sieur? Wieso ...»
    «Henri, der
Herzog interessiert sich nicht für derlei Dinge!» unterbrach ihn die Comtesse.
«Man spricht nicht von – von Kühen und Schweinen bei einem Lever.» Mit einem
gekünstelten Lächeln wandte sie sich an Avon. «Der Junge hat eine absonderliche
Grille, M'sieur: er möchte gerne Landwirt sein! Wie bald würde er dessen müde
werden!» Lachend setzte sie ihren Fächer in Bewegung.
    «Ein
weiteres notwendiges Übel: Landwirte», näselte Seine Gnaden. «Eine Prise
gefällig, Vicomte?»
    Der Vicomte
bediente sich.
    «Danke
bestens, M'sieur. Sie kommen von Paris? Haben Sie vielleicht meinen Vater
gesehen?»
    «Gestern
wurde mir der Vorzug zuteil», erwiderte Avon. «Gelegentlich eines Balles. Der
Graf bleibt stets der alte, Madame.» Nur hauchdünn war sein Hohn verschleiert.
    Madame lief
scharlachrot an.
    «Ich hoffe,
Sie haben meinen Gatten bei voller Gesundheit angetroffen, M'sieur?»
    «Bei bester
Gesundheit, dünkt mir. Darf ich mich als Überbringer irgendeiner Nachricht, die
Sie ihm zu senden wünschen, anbieten, Madame?»
    «Ich danke
Ihnen, M'sieur, doch ich will ihm – morgen schreiben», antwortete sie. «Henri,
habe die Güte, mir ein Glas Punsch zu bringen. Ah, Madame!» Sie winkte einer
Dame zu, die nahe bei ihnen in einer Gruppe stand.
    Der Herzog
erhob sich.
    «Dort
drüben sehe ich meinen lieben Armand. Darf ich mich bitte verabschieden,
Madame. Der Graf wird hocherfreut sein zu hören, daß ich Sie und Ihren Sohn bei
Wohlbefinden angetroffen habe.» Er verbeugte sich und entschritt in die
langsam schütterer werdende Menge. Er hieß Léon im «Œil de BŒuf»
seiner warten und hielt sich noch etwa eine Stunde in der Galerie auf.
    Als er dann
ins «Œil de Bœuf» trat, fand er Léon in
heldenhafte Kämpfe verstrickt, um sich wachzuhalten. Er folgte dem Herzog die
Treppe hinab,
wo er dann den Auftrag erhielt, Mantel und Stock herbeizuschaffen. Als es ihm
endlich gelungen war, dieser Artikel habhaft zu werden, fuhr auch bereits die
schwarz-goldene Kutsche vor dem Tor vor.
    Avon
schwang den Mantel über die Schulter und schlenderte hinaus. Sie bestiegen das
luxuriöse Fahrzeug, und Léon ließ sich mit einem Seufzer der Befriedigung in
die weichen Kissen zurückfallen.
    «Alles ist
wundervoll», bemerkte er, «aber auch schrecklich verwirrend. Haben Sie etwas
dagegen, wenn ich jetzt einschlafe,

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